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Nick Vujicic

mit Kanae Vujicic

Liebe
ohne Limits

Deutsch von Julian Müller

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Mein Leben ohne Limits – „Wenn kein Wunder passiert, sei
selbst eins“ (auch als E-Book und Hörbuch)

*

© der deutschsprachigen Ausgabe
Brunnen Verlag Gießen 2015

***

Dass wir von Gott geliebt sind, ist unser Motor.
Möge dieses Buch alle ermutigen und beflügeln, die
auf der Suche nach Liebe und Hoffnung sind
.

In liebevollem Gedenken an meinen Schwiegervater
Kiyoshi Miyahara und meinen Onkel Miloš Vujicic
.

***

Inhalt

eins Wohin mit der Liebe

zwei Die Suche

drei Nicht perfekt und trotzdem richtig

vier Wenn der Funke überspringt

fünf Hör auf dein Herz

sechs Ausgepackt

sieben Der Antrag

acht Eine Hochzeit für die Ewigkeit

neun Sex: Warum das Warten sich lohnt

zehn Wenn zwei eins werden

elf Wir werden Eltern!

zwölf Unser kleines Wunder

dreizehn Hauptsache wir

vierzehn Aus eins mach drei

fünfzehn Unser Zuhause

Danksagung

Über den Autor

eins

Wohin mit der Liebe

Willkommen! Dieses Buch ist für alle geschrieben, die nach Liebe suchen und sich dauerhafte Beziehungen wünschen.

Der Titel hat verschiedene Hintergründe. Einer davon ist meine gemeinnützige Organisation Life Without Limbs, mit der ich auf der ganzen Welt als Motivationscoach tätig bin. Ich habe zwar keine Arme und Beine, aber trotzdem meine Lebensaufgabe gefunden. Ich mache anderen Mut und Hoffnung, und deswegen führe ich kein Leben als Behinderter, sondern sozusagen als „Beflügelter“.

Für mein erstes Buch nahmen wir bei der Suche nach dem Buchtitel den Namen Life Without Limbs – Leben ohne Gliedmaßen – als Ausgangsbasis für unser Brainstorming und kamen dann auf Life Without Limits, im Deutschen Mein Leben ohne Limits. Ganz einfach, weil ich darin aus meiner persönlichen Erfahrung erzählte, wie man sich ein unverschämt gutes Leben aufbauen kann – ganz egal, mit welchen körperlichen, geistigen oder emotionalen Herausforderungen man konfrontiert ist.

Damit wären wir beim Titel dieses Buches, Liebe ohne Limits. Ich habe schon oft davon gesprochen, mit welchen Unsicherheiten ich als Kind und als junger Mann zu kämpfen hatte. Weil ich „unvollständig“ war, war ich mir fast sicher, dass mich nie eine Frau lieben, geschweige denn heiraten würde. Ich konnte mir nicht vorstellen, einmal Ehemann und Vater zu sein. Ehrlich gesagt konnte das fast niemand. Manche gingen ganz selbstverständlich davon aus, dass ich nie eine eigene Familie haben würde.

Lange Zeit sah es auch so aus, als würden sie recht behalten. Ich hatte die üblichen Phasen des Verknalltseins in der Schule, aber nicht eine einzige feste Beziehung als Jugendlicher. Erst mit Anfang zwanzig wurde ich langsam selbstbewusster. Mit siebenundzwanzig hatte ich einige Beziehungen hinter mir, die zwar meist gut anfingen, aber immer sehr traurig endeten. An einer davon hatte ich besonders lange zu knabbern.

Das Mädchen machte mit mir Schluss, weil ihre Eltern gegen die Beziehung waren. Ich war am Boden zerstört. Es schien, als gäbe es in Sachen Liebe eine unsichtbare Grenze, über die ich nicht hinauskommen konnte. Obwohl meine Familie und Freunde für mich da waren, war ich nun mehr denn je davon überzeugt, dass sich für so einen offensichtlich fehlerhaften Menschen wie mich niemals eine Frau interessieren würde.

Wie du auf den folgenden Seiten sehen wirst, lag ich falsch. Und zwar so falsch, wie man nur falsch liegen kann. Es ist mir im Nachhinein fast peinlich, wie verzweifelt und selbstkritisch ich damals war. Viele Menschen sehen mich als optimistisches Stehaufmännchen, aber in Herzensdingen hatte ich lange Zeit schwer damit zu kämpfen, das Positive zu sehen.

Ich traute mir einfach zu wenig zu. Und noch schlimmer: Ich traute Gott zu wenig zu. Das Ideal zweier sich liebender Menschen mochte für andere gelten, aber nicht für mich. Ich möchte dich vor diesem Fehler bewahren. Vielleicht wartest du auch darauf, dass Gott dir jemanden schickt und bist drauf und dran, die Segel zu streichen. Wie du vielleicht weißt, hat Gott mir eine unglaubliche Frau an die Seite gestellt, deren Liebe mich jeden Tag wieder neu erstaunt. Wenn du auch sonst nichts aus diesem Buch mitnehmen solltest, bitte nimm dir die folgenden Gedanken zu Herzen. Sie sind der Kern dessen, was mir klar geworden ist und was ich dir mit auf den Weg geben will.

Wenn du noch nicht überzeugt bist, sieh dir das Bild auf dem Buchdeckel an. Dort findest du das strahlende Gesicht meiner Frau Kanae, die mir vor allem eins beigebracht hat: Liebe kennt keine Grenzen.

Meine Frau ist schön, das steht außer Zweifel, aber den größten Teil ihrer Schönheit kann kein Foto einfangen. Gott hat sie mit seiner vollkommenen Liebe erfüllt, und jetzt liebt sie mich, einen so unvollkommenen Mann! Darum sind meine Zweifel an der Liebe endgültig ausgeräumt.

Mir wird immer wieder klar: Um geliebt werden zu können, muss man sich erst einmal liebenswert fühlen. Dafür muss man davon überzeugt sein, Liebe verdient zu haben. Und hier kommt das kleine Detail, das viele übersehen: Um Liebe zu empfangen, muss man sie zuerst verschenken. Du musst jemand anderen so sehr lieben, dass du seine/ihre Bedürfnisse über deine eigenen stellst. Man muss das „ich“ aufgeben, um ein „wir“ zu bekommen. Wenn du dich aus Liebe zurücknimmst, öffnest du die Tür zu einer blühenden und starken Partnerschaft, die das Leben noch mehr bereichern wird, als du es dir erträumst.

Kanae und ich bauen stetig weiter an unserer Beziehung. Wir sind ja noch ganz am Anfang. Und auch wir sind schon in einige Fallen getappt. Ich bin nämlich kein perfekter Ehemann – jedenfalls noch nicht! Ich bin noch dabei, gebacken zu werden. Kanae und ich erheben in diesem Buch daher keineswegs den Anspruch, Experten zu sein. Wir möchten vielmehr unsere Liebesgeschichte erzählen, dich an unseren Beobachtungen und an dem teilhaben lassen, was wir bisher gelernt haben, ob nun aus unseren eigenen Fehlern oder mit der Hilfe von anderen.

Das … und dir zu neuen Erkenntnissen zu verhelfen, wenn du gerade unterwegs bist auf der Suche nach einer starken Partnerschaft, nach einer Liebe, die hält und dich erfüllt, das ist unser Ziel.

Jedes Kapitel behandelt einen anderen Schwerpunkt: die Suche nach Liebe; den Entschluss, sich auf die Liebe einzulassen; Schritte in Richtung Ehe; das Heiraten; das Gründen einer Familie; der Alltag und andere Herausforderungen. Themen, die wir in diesen Kapiteln behandeln, sind unter anderem:

Liebe ohne Limits

Ich habe das Gefühl, dass die Liebe zwischen Kanae und mir und zu unserem Sohn Kiyoshi jeden Tag wächst. Unser Leben als kleine Familie ist schöner, als ich es mir je erträumt hätte. Seit Kanae und ich verheiratet sind und ein Jahr und einen Tag nach unserer Hochzeit dann am 13. Februar 2013 unser Kind auf die Welt kam, drängt sich mir immer wieder dieser Gedanke auf.

Das letzte Mal, dass mich ihre Liebe schlicht überwältigte, war mitten während eines Fluges auf dreißigtausend Fuß Höhe. Ich war auf der Rückreise von einer einmonatigen Rednertour, die der letzte Abschnitt einer erfolgreichen, aber auch harten Viermonatstournee durch sechsundzwanzig Länder in Asien und Südamerika war. Es fiel mir unendlich schwer, meine Frau und Kiyoshi so lange nicht zu sehen.

Der Terminplan gab in diesen vier Monaten nur sehr wenige Kurzbesuche zu Hause her. Die Zeit reichte kaum, um die Wäsche zu waschen, geschweige denn, um innerlich richtig anzukommen beieinander.

Auf der Reise hatte ich vor vielen Tausend Menschen gesprochen und großartige Erfahrungen gemacht, aber auch mit echten Schwierigkeiten zu kämpfen. Das Schlimmste war ein heftiges Fieber in Bolivien. Eine Woche lang kochte mein Körper und mir taten alle Knochen weh. Ich schaffte es gerade so, meine Termine einzuhalten, obwohl ich mich fühlte, als hätte man mich tausend Meilen durchs australische Hinterland geschleift.

Die Tour war ein einzigartiges Erlebnis, aber auch nicht gerade ein Zuckerschlecken. Trotzdem waren es nicht die Irrungen und Wirrungen dieser Reise, die dafür sorgten, dass ich auf dem letzten Flug plötzlich in Tränen ausbrach. Ich hatte nicht nur Heimweh. Ich hatte Kanae-Weh und Kiyoshi-Weh. Meine Frau und mein Sohn fehlten mir wie verrückt!

Der Gedanke daran, dass sie mich bald wieder in den Arm nehmen würden, war so überwältigend, dass ich anfing zu schluchzen. Mein Caregiver, also mein Unterstützer, Freund und Pfleger Gus saß direkt neben mir. Ich wollte nicht, dass er sah, wie ich heulte, also zog ich mir meine Mütze übers Gesicht und tat, als würde ich schlafen. Aber ich glaube, er hat es trotzdem gemerkt. Bestimmt tat er nur meinetwegen so, als hörte er nichts. Ich kann nämlich nicht leise weinen. Und er wusste natürlich, wie sehr ich darunter litt, von meiner Familie getrennt zu sein.

Kanae und ich hatten zwar immer wieder per Skype telefoniert, aber das war einfach nicht dasselbe. Ich liebe den Geruch von Kanaes Haar und den von Kiyoshi. Sein Babyatem riecht so gut! Während meiner Tour hatte Kiyoshi sein erstes Zähnchen bekommen, und mittlerweile konnte er ohne Hilfe stehen. Ich hatte so viel verpasst.

Insgeheim schwor ich mir, nie wieder so lange von meiner Familie getrennt zu sein. Ich möchte kein Motivationscoach sein, der für Gott arbeitet, den seine Familie aber nie zu Gesicht bekommt. Selbst wenn ich der ganzen Welt helfen würde, dafür aber meine Familie vernachlässigte, hätte ich total versagt. Wenn Kanae und Kiyoshi die einzigen Menschen auf der Welt sind, die ich glücklich mache, bin ich zufrieden. Gott möchte die Familie nicht ohne Grund in der Prioritätenliste ganz weit oben haben. Und mir ging es im Flugzeug nur noch um eins: Kanae und Kiyoshi endlich festzuhalten, zu drücken und nie wieder loszulassen. Ich bastelte sogar an einem Songtext darüber. Obwohl ich kaum Herr meiner selbst war. (Neue Single im Anmarsch!) Ich konnte noch nicht einmal lesen, was ich da in mein Smartphone tippte, weil alles verschwamm.

Was ist nur los mit dir?, fragte ich mich.

Da kam die Antwort: Nichts ist los mit dir. Du bist nur so voller Liebe, dass du kaum noch atmen kannst!

Ich flog tatsächlich nach Hause zu meiner Frau und meinem Sohn! Meiner Familie! Wie oft hatte ich Angst davor gehabt, dass mir so ein Leben für immer verwehrt bleiben würde. Was für ein Geschenk ist die Liebe! Und die Liebe eines Kindes ist erst recht nicht mit Gold aufzuwiegen. Seit diese zwei wunderbaren Menschen in mein Leben getreten sind, fühle ich mich komplett.

Herz zu verschenken

Seit ich neunzehn bin, reise ich um die Welt, und noch nie hatte ich mich so sehr gefreut, nach Hause zu kommen. Zugegeben, bis vor Kurzem noch kehrte ich als Junggeselle in ein leeres Haus zurück. Wenn ich damals nach einer langen Reise die Tür öffnete und in die Stille trat, fiel ich immer in ein tiefes Loch.

Manche Menschen sind überglücklich, allein leben zu können. Das respektiere ich. Es ist nichts Verkehrtes daran, wenn es einen erfüllt. Aber ich sehnte mich seit der Pubertät nach einer liebevollen Beziehung und einem Partner, der mit mir durch dick und dünn geht.

Wenn man sich so sehr ein Gegenüber wünscht, aber keins findet, bleibt diese schmerzhafte Leere zurück. Jemand hat einmal gesagt, jeder von uns hat ein gottförmiges Loch in sich. Das ist der Ort, den Gott mit seiner Liebe füllen will. Eigentlich fehlte mir also wegen meiner Beziehung zu Jesus nichts, aber ich wünschte mir trotzdem sehnlichst eine Partnerin. Und hatte zugleich Angst, dieses Glück nie zu erleben. Ich musste diese innere Leere viele Jahre aushalten, bevor ich schließlich meine große Liebe fand.

Als Kind wollte es nicht in meinen Kopf, wieso Gott mir keine Arme und Beine gegeben hatte. Erst als ich schließlich merkte, dass andere mir deswegen viel eher zuhörten und sich von mir ermutigen ließen, bekam mein Leben eine neue Richtung.

Als ich älter wurde, konnte ich nicht verstehen, wieso Gott mir keine Frau fürs Leben schenken wollte. Ich wurde verbittert und ungeduldig, ließ mich ohne viel Nachzudenken auf Beziehungen ein und war am Ende immer wieder der mit dem gebrochenen Herzen. Was ich damals nicht wusste: Meine schiefgegangenen Beziehungen hatten auch eine gute Seite. Ich musste diese Erfahrungen machen, um später überhaupt die bedingungslose Liebe begreifen und wertschätzen zu können, die mir meine zukünftige Frau entgegenbrachte. Als mir Kanae geschenkt wurde, begriff ich, dass Gott mich die ganze Zeit darauf vorbereitet hatte.

zwei

Die Suche

Rein körperlich gesehen steche ich natürlich aus der Masse heraus, aber was das Bedürfnis nach Liebe betrifft, bin ich kein bisschen anders als du. Und meine Suche nach Liebe lief ganz ähnlich ab wie bei den meisten Männern und Frauen.

Manchmal denke ich, man könnte sie als romantische Komödie verfilmen, aber dann wieder war ich sicher, dass sie als Tragödie enden würde. Wenn ich heute zurückblicke, überwiegt natürlich das Schmunzeln angesichts meiner dahingestolperten Versuche.

Manchmal höre ich, wie eine Mutter zu ihrer Tochter sagt: „Vielleicht musst du ein paar Frösche küssen, bevor du deinen Prinzen findest.“ Die meisten von uns erleben auf ihrer Suche nach Liebe Ablehnung und Einsamkeit. Davon nehme ich mich nicht aus. Falls es dir genauso geht, hoffe ich, dass du aus meiner Geschichte Kraft schöpfen kannst und die Gewissheit wächst, dass du absolut liebenswert bist. Gib die Suche nicht auf!

*

Zum ersten Mal verknallt war ich … in der ersten Klasse. Kein Witz. Was soll ich sagen? Ich war ein Ausnahmetalent im Verlieben! Im Normalfall nimmt man die Suche nach einer Freundin oder einem Freund ja ziemlich ernst, und wenn jemand einem das Herz bricht, ist das alles andere als amüsant. Trotzdem macht man dabei die verrücktesten Sachen.

In der siebten Klasse schenkte ich meiner Flamme einen Teddybär. Dann bekam ich Angst, ihre Eltern könnten etwas dagegen haben. Also verabredeten wir, dass sie mir auch einen schenkte. Unseren Eltern erzählten wir, das Ganze wäre ein „Teddybärtausch“.

Über sich selbst lachen zu können ist eine sehr heilsame Eigenschaft. Ich kann sie nur empfehlen. Das ist jedenfalls besser als heulen! Einer meiner verheirateten Freunde meinte zu mir, er sei in seinen Jahren als Junggeselle sozusagen übersät gewesen von roten Flecken, weil ihn die Mädchen auf Abstand hielten, frei nach dem Sprichwort: „Den würde ich, wenn überhaupt, dann nur mit einer Kneifzange anfassen!“

Falls du mit Ablehnung zu kämpfen hast – und das haben wir alle irgendwann –, tröste dich damit, dass du dich umso mehr freuen wirst, wenn der oder die Richtige kommt. Die schlechten Erfahrungen tragen dazu bei, die echte Liebe und Annahme umso mehr wertzuschätzen.

Wenn ich mich anfangs zu einem Mädchen hingezogen fühlte, war es wie bei einem Magneten. Ich konnte nichts dagegen tun. Damals mochte ich natürlich genau die Schönheiten, die allen anderen Jungs auch den Kopf verdrehten. Im Nachhinein betrachtet, war das ziemlich scheinheilig von mir. Ich wollte schließlich trotz meiner Behinderung gemocht werden, stand aber nur auf die hübschesten und beliebtesten Mädchen. Das bereue ich heute. Wenn man älter wird, merkt man, dass Liebe mehr ist als nur körperliche Anziehung. Einige der schönsten Menschen, die ich kenne, sehen überhaupt nicht wie Models aus. Wenn man sie aber kennenlernt, ist man von ihrer Schönheit beeindruckt.

Das Problem ist, dass wir die Menschen immer mit unserer perfekten Vorstellung vergleichen und ihnen dann keine Chance geben. Ich halte das für einen Fehler. Eigentlich sollte man für jeden offen sein, der einen kennenlernen will. Und wenn der Funke nicht überspringt, findet man mit dieser Philosophie zumindest viele Freunde. Und wer weiß, vielleicht findet sich so überraschenderweise ja doch die große Liebe.

Du willst beweisen, dass du es wert bist, geliebt zu werden? Dann gib anderen auch diese Chance. Denn was man bekommen möchte, sollte man auch bereit sein zu geben, oder? Du willst sicher nicht, dass andere dich nur nach deinem Äußeren beurteilen. Sei also stets bereit, genauer hinzusehen.

Oft gehen wir Menschen aus dem Weg, die behindert sind oder „anders“ aussehen, weil wir sie aus irgendeinem Grund in eine Schublade stecken, ablehnen oder Angst vor Kontakt haben. Wenn ich vor Schulkindern spreche, frage ich sie oft, ob sie mit mir befreundet sein wollen. Die meisten rufen natürlich „Ja!“. Dann sage ich immer: „Wenn ihr bereit seid, mich zu akzeptieren, einen Kerl ohne Arme und Beine, warum wollt ihr dann mit niemandem unter euch befreundet sein, der ‚anders‘ ist, ob er nun eine andere Hautfarbe hat, eine andere Religion, aus einer anderen Bevölkerungsschicht kommt oder geistig oder körperlich behindert ist?“

Normalerweise wird es dann sehr still. Später haben mir schon oft Schüler oder Lehrer erzählt, dass sich das Verhalten der Kinder verändert hat. Ich hoffe, dauerhaft. Ich weiß nämlich genau, wie das ist, gemieden zu werden und isoliert zu sein. Als Jugendlicher hatte ich schwer daran zu knabbern, ohne Gliedmaßen an den Rollstuhl gefesselt zu sein. Ich wurde gehänselt und bin mir sicher, dass ich einigen Leuten nicht geheuer war und sie mir deswegen aus dem Weg gingen.

Ich hatte genug Selbstzweifel, aber die Suche nach Liebe gab ich deswegen nicht auf. Ich fühlte mich normal, auch wenn ich nicht so aussah, und meine Bedürfnisse waren dieselben wie bei anderen Menschen. Ich wollte nicht allein sein. Ich wollte jemanden, mit dem ich das Leben teilen konnte, dem ich vertrauen, alles erzählen und nah sein konnte.

Vielleicht habe ich die Erinnerungen aus meiner Kindheit verdrängt oder vergessen, aber ich kann mich jedenfalls nicht daran erinnern, dass mich in der Grundschule jemand offen ablehnte, weil ich keine Arme und Beine hatte. Es gab vielleicht Kinder, die so dachten, aber sie gingen mir aus dem Weg und ließen mich erst gar nicht an sich heran. Die meisten waren eigentlich nett zu mir. Aus manchen wurden gute Freunde. Eine richtige Beziehung hatte ich aber erst am Ende meiner Teenagerzeit.

Am Boden

Als Jugendlicher möchte man unbedingt dazugehören und akzeptiert sein. Das heißt auch, cool genug für eine Beziehung zu sein. Wer ist nicht gern cool und beliebt? Ich wollte so sehr zu den richtigen Kreisen dazugehören, dass ich um meine christlichen Freunde einen großen Bogen machte und so tat, als wäre ich ein harter Knochen. Wie ich das machte? Ich fing an, mit Schimpfwörtern um mich zu werfen – etwas ganz Neues für mich. Und das merkte man. Ich war wohl das peinlichste und lächerlichste Großmaul der ganzen Schule. Irgendwann gab ich es auf, weil es mir selbst peinlich war. Und natürlich auch meinen Eltern. Zum Glück waren meine alten Freunde nicht nachtragend und nahmen mich wieder auf.

Mit Mädchen erlebte ich ebenfalls genügend peinliche Momente. Wenn ich verknallt war, dann meistens heimlich. Ein Mädchen himmelte ich drei Jahre lang an. Sie hatte keine Ahnung davon. Zuerst waren wir nur befreundet, weil sie einen Freund hatte. Als die beiden sich trennten, nahm ich all meinen Mut zusammen und fragte sie, ob sie mit mir ausgehen würde.

Sie gab mir einen Korb und ging stattdessen mit einem Kumpel von mir aus. Einerseits freute ich mich für die beiden, andererseits machte es mich unendlich traurig. So ein Mädchen wirst du nie haben, sagte ich mir. Sie ist zu hübsch für dich.

Ich beschloss, eine Mitleidsorgie zu feiern. Es war nur im kleinen Rahmen – Tisch für eine Person. Ist es nicht verrückt, dass wir alle so etwas erleben, trotzdem aber das Gefühl haben, wir wären die Einzigen auf der Welt, die so etwas durchmachen? Wir glauben, es habe noch nie jemand so sehr leiden müssen. Die Wahrheit ist, dass sogar die „hübschen“ Mädchen, die „attraktiven“ Jungs und die beliebtesten Leute aus der Klasse ihre eigene Geschichte von Ablehnung, Einsamkeit und Unsicherheit erzählen könnten. Ich habe noch niemanden getroffen, der die Kindheit und die Pubertät ohne einen Pickel, eine schmerzhafte Trennung oder ohne sich eine Abfuhr zu holen überstanden hat. Das gehört nun mal zum Erwachsenwerden dazu. Auch wenn es wehtut: Aus solchen Erfahrungen kann man lernen, einfühlsamer, verständnisvoller und freundlicher zu sein.

Anders ausgedrückt: Schlechte Erfahrungen können einen voranbringen, wenn man sie als Lernchancen sieht. Was ist besser, etwas Positives daraus mitzunehmen, oder sich mit der Opferrolle zufriedenzugeben und schwarz zu ärgern?

Wir haben es in der Hand, selbst die schlimmsten Erfahrungen in positive Ressourcen umzuwandeln. Das funktioniert am besten, wenn wir sie als Teil von Gottes Training verstehen.

Liebe, ein schmerzvoller Coach

Ich weiß nicht, wie du das siehst, aber ich habe aus meinen schmerzhaften Erfahrungen in Sachen Liebe einiges gelernt. Auch wenn es im Vergleich zu anderen kleine Gehversuche gewesen sein mochten. Als Jugendlicher träumte ich davon, eines Tages zu heiraten und eine Familie zu gründen. Wenn im Radio ein Liebeslied lief, dachte ich an das Mädchen, in das ich gerade verknallt war.

Eins der beliebtesten Mädchen in der neunten Klasse hatte mir ganz besonders den Kopf verdreht. Ich fragte sie, ob sie mit mir ausgehen würde. Sie lehnte ab. Um genau zu sein, sagte sie etwas, was jeder Kerl als nett verpackten Korb versteht: „Ich kann nicht mit dir ausgehen, weil ich unsere Freundschaft nicht zerstören will.“

Ich war stinksauer und verletzt. Monatelang blies ich Trübsal. Wie ein Rendezvous eine Freundschaft „zerstören“ sollte, war mir schleierhaft. Man wollte doch durch das Kennenlernen noch bessere Freunde werden, oder nicht? Ihre Antwort erschien mir alles andere als logisch, aber sie wird oft benutzt, wenn man die Gefühle des anderen nicht verletzen will.

Wenigstens hatte sie nicht gesagt, sie habe keine Zeit, weil sie sich die Haare waschen, den Keller aufräumen oder ihren Sittich kämmen musste! Die verblüffendste Antwort bekam ich einmal im College. Ich fragte nach einem Date, und sie sagte: „Ich suche keinen Freund. Ich suche jemanden, der mir einen Antrag macht!“ Sie meinte das tatsächlich ernst, und das machte mir Angst. Manche meinten aber, das sei nur eins ihrer Spielchen.

Jungs spielen natürlich auch Spielchen. Die ganze Partnerwahl ist ein kompliziertes Spiel, und es scheint immer komplizierter zu werden. Das alte System, wo der eine den anderen auf ein Rendezvous einlädt, ist völlig außer Mode geraten. Stattdessen trifft man sich heute in großen Gruppen und dann bilden sich Pärchen heraus. Das ist unkomplizierter, aber vielen fällt es dadurch schwerer, eine echte Verbindung aufzubauen. Immerhin scheint es so einfacher, sich dezent zurückzuziehen, wenn einen der andere nicht so stark interessiert wie gedacht.

Mich verletzte jede Ablehnung. Zu der „normalen“ Unsicherheit kam bei mir noch die Last der Behinderung dazu. Ich kann mich zwar nicht daran erinnern, dass ein Mädchen offen sagte, sie wolle sich nicht mit mir treffen, weil ich keine Arme und Beine habe oder im Rollstuhl sitze, aber seien wir ehrlich: Es war sicher für viele ein Grund, mich nicht näher kennenzulernen. Vom Kopf her konnte ich das auch irgendwie verstehen, aber nicht vom Herzen her. Anders als bei einer schlechten Frisur, Pickeln oder Übergewicht konnte ich an meinen fehlenden Gliedmaßen nun mal nichts ändern. Der Gedanke, dass mich aus diesem Grund nie eine Frau gut finden oder kennenlernen wollen würde, hing oft wie eine dunkle Wolke über mir.

Wir haben alle unsere Fehler. Vier davon sind bei mir leider ziemlich sichtbar. So sehr ich auch versuchte, ein normaler junger Mann zu sein, stand fest: Ich sah nun mal anders aus. Und auch wenn ich irgendwann begriff, dass Gott auch so, wie ich war, etwas mit mir anfangen konnte, blieb immer noch das Problem, wie auch ich ein Mädchen abbekommen sollte. Die meisten sahen nur meine Behinderung, und damit meine ich nicht nur mein Aussehen. Es schreckte sie ab, dass ich bei den einfachsten Dingen Hilfe brauchte, sogar beim Essen und Trinken. Ich hatte Verständnis dafür, und doch tat es weh.

Und dann gab es da noch das ultimative Symbol für Coolness: den Führerschein und das eigene Auto. Keins von beiden war mir vergönnt. Während die Jungs in meinem Alter ihre Verabredung abholten und zum Konzert, zum Kino oder zum Restaurant fuhren, war ich von meinen Eltern oder Freunden abhängig. Wieder eins von den ganz normalen Dingen, die ich nicht konnte.

Ich versuchte, nicht ständig über meinen Körper nachzudenken, aber es gab Zeiten, da wollte ich aufgeben, nach Hause gehen und mich unter der Bettdecke verkriechen. Glücklicherweise waren diese selbstzerstörenden Phasen nicht sehr lang. Als Optimist und durch meinen Glauben konnte ich immer wieder Kraft schöpfen – und natürlich fand ich Halt bei meiner Familie.

Was mein Interesse an Mädchen betraf, hatten meine Eltern gemischte Gefühle. Zum einen lag das an ihrem starken Beschützerinstinkt, zum anderen an ihren konservativen Werten. Ein Date zu haben, das hatte für sie einen negativen Beigeschmack. Sie sprachen immer von „um ein Mädchen werben. Ich versuchte ihnen zu erklären, dass ein australischer Jugendlicher von heute nicht um ein Mädchen warb. Die Arme würde denken, er sei frisch aus dem Mittelalter entsprungen.

Mein Vater hatte die meisten Bedenken, wenn ich auf Tuchfühlung mit Mädchen ging. Jahre später, nach meiner Hochzeit, beichtete er mir, dass er nicht damit gerechnet hatte, dass ich je eine Frau finde. Damals zeigte er wenig Enthusiasmus, wenn ich von einem Mädchen sprach. Ich glaube, er hatte Angst, mir könnte wehgetan werden.

Nicht, dass meine Eltern mich irgendwie vor anderen abschotteten. Wenn es mir schlecht ging, sorgten sie dafür, dass ich mich nicht einigelte. Sie machten mir Mut, auf meine Klassenkameraden zuzugehen. Meine Kindheit verbrachte ich nicht nur mit meinen zwei Geschwistern, sondern auch mit vielen Cousins und Cousinen, die mich so annahmen, wie ich bin, dafür aber auch genauso rüpelhaft und liebevoll mit mir umsprangen wie untereinander. Dank ihrer Hilfe ließ ich die Selbstzweifel allmählich hinter mir und wurde kontaktfreudiger. Ich hörte auf, mich zu verstecken, und fand schließlich immer mehr Freunde.

Zum Ende der Schulzeit hatte ich viele der sozialen Barrieren überwunden und gelernt, meine Unsicherheiten hinter mir zu lassen. Ich wurde sogar zum Schulsprecher gewählt. Und trotzdem zeigten die hübschen Mädchen in der Schule kein Interesse an mir.

Das war eine harte Lektion, aber sie brachte mich voran. Irgendwann begriff ich, dass es noch viel mehr Mädchen gab, die es wert waren, kennengelernt zu werden. Ich wurde offener, und mein Freundeskreis erweiterte sich. Je aufgeschlossener ich anderen gegenüber wurde, desto unvoreingenommener begegneten sie mir.

Natürlich sollte man niemandem Gefühle vorgaukeln oder eine Beziehung mit jemandem anfangen, an dem man kein Interesse hat. Oft achten Jugendliche und auch Erwachsene bei der Partnersuche zu sehr auf den sozialen Status, das Äußere und die Beliebtheit, anstatt auf das Wesen und die inneren Werte zu schauen.

Was uns wohl allen guttäte, wäre, bei der Suche nach Liebe weniger Hemmschwellen und Vorbehalte zu haben. Einerseits sollten wir davon überzeugt sein, selbst liebenswert zu sein, andererseits aber auch akzeptieren, dass die große Liebe vielleicht nicht hundertprozentig der eigenen Vorstellung entsprechen könnte. Das bedeutet nicht, dass man sich mit einer schlechteren Partie „zufriedengibt“, sondern, dass der- oder diejenige einfach ganz anders sein könnte, als man es sich vorgestellt hat.

Risiko Liebe

Wer sich für die Liebe öffnet, macht sich verletzlich. Liebe ist immer ein Risiko. Vielleicht beschließt der oder die „Richtige“, dass er oder sie das ganz anders sieht. Die meisten Leute fallen mindestens ein- oder zweimal auf die Nase, bevor sie in der Liebe Erfolg haben. Die ganzen traurigen Balladen und Lovestorys kommen nicht von ungefähr. Liebeskummer ist eine zutiefst menschliche Erfahrung, die in vielen kreativen Formen ihren Ausdruck gefunden hat.

Auch du wirst dich hintergangen, gedemütigt und verletzt fühlen, sollte deine Liebe nicht erwidert werden. Du wirst um die verlorene Beziehung trauern. Vielleicht hast du das Gefühl, darüber nie hinwegzukommen, aber das wirst du. Und wenn du dann die echte große Liebe findest, wirst du umso glücklicher sein. Versprochen!

*

Es gibt kaum Schlimmeres, als wenn einem jemand das Herz bricht. Ich weiß, wovon ich rede. Meine erste ernsthafte Beziehung hatte ich mit neunzehn. Ich lernte sie auf einer Jugendfreizeit in den USA kennen, weit weg von meiner Heimat Australien. Mein Onkel Batta kannte ihre Eltern und meinte, ich müsste sie mal treffen, wir würden uns sicher verstehen. Sie kam ebenfalls aus einer engagierten, gläubigen Familie. Es war, wie er vermutet hatte. Wir verstanden uns auf Anhieb.

Wir waren zunächst Freunde, kamen aber schnell an den Punkt, wo wir jede freie Minute miteinander verbringen wollten. Es hatte Klick gemacht.

Beziehungsexperten sagen, dass bei Paaren, die als Freunde starten und auf gemeinsame Interessen und Werte aufbauen können, die Verbindung besonders stark wird. Das traf auf uns zu. Wir hatten viele tief gehende Gespräche. Das Körperliche wollten wir uns für später aufheben. Und ja, wir sprachen schon davon, einmal zu heiraten. Ich verstand mich auch mit ihren Eltern ziemlich gut. Ihr Vater war sehr nett zu mir und behandelte mich fast wie seinen eigenen Sohn. Nur: Eigentlich war ich in die USA gekommen, um mich auf meine Karriere zu konzentrieren.

Mein Eindruck war, dass Gott mich in seinem weltweiten Dienst haben wollte. Doch meine Eltern und meine Heimatgemeinde waren damals aus vielerlei Gründen dagegen – was zwar an meiner Entschlossenheit nichts änderte, mich aber trotzdem einsam und verletzlich fühlen ließ. Ihr Vater war unerschrocken und tiefgläubig, und er ermutigte mich, meiner Vision zu folgen. Dass ich mich in seine Tochter verlieben würde, war nicht geplant.

Bevor ich in die USA ging, hatte jemand aus meinem Bekanntenkreis prophezeit, ich würde dort sicher ein Mädchen finden. Ich hatte lachend abgelehnt und gemeint, ich könne keinerlei Ablenkung gebrauchen. Das Einzige, was ich wolle, wäre Zeit mit Gott zu verbringen und aufzutanken. Meine Sehnsucht nach Liebe, die wollte ich zu Hause lassen. Ich verlebte gute zehn Monate ohne Gefühlschaos.

Dann traf ich während der Freizeit auf diese unglaublich attraktive, gläubige junge Frau und war wie vom Donner gerührt. Man konnte sich mit ihr so gut unterhalten! Es fühlte sich an, als wären wir alte Freunde. Ich konnte an nichts anderes mehr denken. Nach unserem ersten Treffen ging ich zurück in mein Zimmer und ließ die Gedanken kreisen.

Nein, nein, nein! Bitte, ich will mich nicht verlieben. Sie wohnt viel zu weit weg, und ich habe doch so viel vor. Kennst du das Sprichwort? „Wenn du Gott zum Lachen bringen willst, erzähl ihm von deinen Plänen.“ Ich wette, Gott schmunzelte da oben: „Jetzt zeige ich dir mal, wer hier die Fäden in der Hand hält, mein Lieber!“

Ich vereinbarte mit Gott, dass ich diesem Mädchen nicht nachlaufen würde, aber wenn er etwas mit uns vorhatte, würde sie zu mir kommen. Eines Tages stand sie tatsächlich vor mir, und es dauerte nicht lange, da hatten wir unser gegenseitiges Interesse bekundet. Das Schöne war, wie leicht uns das Erzählen fiel. Wir konnten stundenlang reden, ohne peinliche Gesprächspausen. Ich schwebte drei Wochen lang auf Wolke sieben.

Nachdem die Jugendfreizeit vorbei war, verbrachten wir noch ein paar Tage bei gemeinsamen Freunden, und bevor ich die USA wieder verließ, besuchte ich sie zu Hause bei ihren Eltern. Fast täglich telefonierten wir miteinander oder trafen uns irgendwo. Ich konnte nur noch an sie denken, und ihr ging es offensichtlich ganz ähnlich. Ich war bis über beide Ohren verliebt, und sie schien wirklich Gefallen an mir gefunden zu haben. Als ich zu ihr meinte, ich wünschte, ich hätte Arme, um mit ihr Händchen zu halten, sagte sie nur, ohne sei es „doch umso besonderer“.

Ich fühlte mich wie im Paradies. Wir erzählten uns von unseren Träumen und entdeckten lauter Gemeinsamkeiten. Ich öffnete mich völlig und schüttete ihr mein Herz aus. Jede Minute wollte ich mit ihr verbringen. Wir waren füreinander bestimmt, sagte mir mein Gefühl, und die kurze Zeit, die wir zusammen waren, kam mir vor wie eine kleine Ewigkeit.

Dann, eines Tages, sagte sie völlig aus dem Nichts heraus: „Ich brauche Abstand. Für eine ernste Beziehung bin ich im Augenblick einfach nicht bereit, weißt du?“

Das war kein gutes Zeichen. Ein Freund hatte mir einmal gesagt, wenn ein Mädchen sagte, sie brauche Abstand, hieße das mindestens fünftausend Meilen ohne Umdrehen. So viele Flugmeilen hatte ich nicht. Aber ich entsprach ihrem Wunsch, so schwer es mir auch fiel. Ich zog mich zurück. Sehnsucht plagte mich, aber ich wollte Gott die Entscheidung überlassen, ob wir zusammengehörten oder nicht. Auf Biegen und Brechen, so wollte ich nicht zum Erfolg kommen. Liebe lässt sich nicht erzwingen.

Ich steckte Gott zumindest, dass die Entscheidung ganz klar für uns ausfallen würde, wenn es nach mir ginge. Nur, falls er einen Tipp brauchte.

Ich war mir nicht sicher, ob sie sich tatsächlich trennen wollte oder ob ihre Eltern dahinterstanden. Mein Gefühl sagte mir, dass ihr Vater mich als Freund der Familie mochte, nicht aber als Bewerber um die Hand seiner Tochter. Falls ich recht hatte, konnte sie das wohl nicht so einfach ignorieren. Sie hatte mich um etwas Abstand gebeten, und ich wusste, dass mir gar nichts anderes übrig blieb, als ihr diesen Wunsch zu erfüllen. Wenn sie meine Gefühle nicht teilte, konnte ich sie schlecht zwingen. Falls Gott wollte, dass wir zusammenblieben, würde er einen Weg finden. Schweren Herzens ließ ich ihn ans Steuer.

Ich übte mich in Geduld, aber je länger es dauerte, desto mehr vermisste ich sie. Meine Gefühle wurden nur noch stärker. Die Liebe wächst mit der Entfernung, sagt man.

Es kostete mich viel Kraft, meine Angebetete in Ruhe zu lassen. Ich sagte mir immer wieder, wenn Gott uns wieder zusammenbringen würde, konnte ich mir wenigstens sicher sein, dass wir füreinander bestimmt waren. Sie sollte ihre Gefühle mit Gott ausmachen. Ich wollte ein reifer und guter Christ sein, auch wenn ich sie schrecklich vermisste. Die drei Wochen mit ihr gehörten zu den schönsten Erinnerungen meines Lebens.

Das Tal der Sehnsucht

Liebeskummer sagt dir etwas? Ich war der Liebeskummer in Person. Jeder Tag, den ich ohne sie verbrachte, kam mir vor wie ein Jahr. Ich konnte nicht schlafen, weil sie mir ständig im Kopf herumspukte. Ich wälzte mich nachts im Bett und flehte Gott an, sie mir entweder wiederzubringen oder aus meinem Gedächtnis zu löschen.

Das ist noch gar nichts, sagst du? Ich besorgte mir ihr Parfum und sprühte es auf alle meine Kissen, damit ich mich nachts darin vergraben konnte. Und tagsüber auch!