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Ram Oren

Gertrudas Versprechen

Eine mutige Frau und ein jüdisches Kind:
Die Geschichte einer dramatischen Rettung

In Zusammenarbeit mit Michael Stolowitzky

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Inhalt

Vorbemerkung des Autors

Nach dem großen Krieg

Zwei Hochzeiten

Das Kind

Die Erpressung

Kristallnacht

Sturm

Die Pistole

Wilna

Nächtliche Straßen

Das Schiff

Die Überfahrt

Das neue Versprechen

Das Erbe

Nachwort

Dank

Quellenverzeichnis

Vorbemerkung des Autors

Dieses Buch ist eine wahre Geschichte. Alle darin beschriebenen Ereignisse basieren auf meinen Interviews mit Überlebenden des Holocaust und deren Angehörigen sowie auf Zeitdokumenten und den von mir durchgeführten Recherchen. Da sich der Inhalt zu einem großen Teil auf die Erinnerungen der Hauptpersonen stützt (von denen viele, einschließlich Gertruda, inzwischen verstorben sind), war es für mich als Autor jedoch notwendig, meine schriftstellerische Freiheit zu nutzen, um die Erzählung durch Dialoge und Einzelheiten bestimmter Begebenheiten zu ergänzen. Das Schicksal von Michael und Gertruda – und von allen, die den Holocaust hautnah erlebt haben – ist ein bewegendes Zeitzeugnis, und ich habe versucht, mich so genau wie möglich an die historischen Tatsachen zu halten.

Nach dem großen Krieg

Die Rauchwolken des Krieges lösten sich nur langsam auf. Zaghaft brach die Frühlingssonne durch und strich über die Ruinen, die Zehntausende von Menschen unter sich begraben hatten, tauchte verwüstete Straßenzüge in ein mildes Licht und ließ glitzernde Punkte auf den Wassern der Weichsel tanzen, deren träge Strömung die Erinnerung an Tod und Schrecken mit sich forttrug.

Auf einer Anhöhe im zerbombten Warschau stand das ehrwürdige alte Palais der Familie Stolowitzky. Wie durch ein Wunder hatte es den Krieg unbeschädigt überstanden. Ein Kunstwerk aus vier Stockwerken behauener Steine und fein gemeißelter Kanten, mit prächtigen Bleiglasfenstern und Deckenmalereien, von dessen Dachvorsprüngen die Statuen alter Kämpfer grüßten.

Nur zwei der ehemaligen Bewohner waren noch am Leben, ein Junge und seine Kinderfrau – Flüchtlinge in einem fernen Land. In ihrem neuen Zuhause in Israel, zwischen blätternden Tapeten, billigen Möbeln und Rostflecken in der Badewanne, schien das große, herrschaftliche Haus wie ein Tagtraum, wie ein Bild aus einer allzu lebhaften Fantasie.

Die beiden lebten in einer der düsteren Mietskasernen in einer Seitenstraße in Jaffa. Aus den Fenstern ihrer kleinen Wohnung blickten sie auf graue, trostlose Häuser. Kinder spielten in einem verlassenen Hinterhof, Frauen kamen vom Markt nach Hause, beladen mit schweren Einkaufstaschen. Tag und Nacht drang der Lärm vorbeifahrender Autos in die Wohnung. In der Luft lag ein fauliger Abfallgestank. Im Winter roch es in den feuchtkalten Räumen nach Schimmel, im Sommer staute sich die heiße, stickige Luft zwischen den Wänden.

Wie anders war es in dem Palais gewesen. Da hatte es geräumige Seitenflügel und weitläufige Gartenanlagen gegeben, eine warme Heizung im Winter. Im Sommer hatte durch die geöffneten Fenster eine frische Brise vom Fluss heraufgeweht. Dienstboten waren auf Zehenspitzen durchs Haus gehuscht, um unnötigen Lärm zu vermeiden. In den Schränken hatten teure Kleider gehangen, und die erlesenen Mahlzeiten waren in feinen Porzellangefäßen serviert worden. Das schwere goldene Besteck war auf Hochglanz poliert gewesen, und in edlen Kristallgläsern hatte der vollmundige Wein geschimmert.

Michael Stolowitzky und Gertruda, die Kinderfrau, die ihn als ihren eigenen Sohn angenommen hatte, hatten den Krieg überlebt. Nun kämpften sie den Überlebenskampf in einem fremden Land. Michael ging zur Schule, während Gertruda jeden Morgen in Jaffas nördliche Bezirke fuhr, wo sie als Putzhilfe für sich und Michael ihren Lebensunterhalt verdiente – keine leichte Arbeit für eine Frau, welche die Blüte der Jugend bereits hinter sich gelassen hatte. Abends kehrte sie müde und mit schmerzenden Gliedern zurück. Michael begrüßte sie immer mit einem Kuss, zog ihr die Straßenschuhe aus, kochte eine bescheidene Mahlzeit und schlug ihr Bett auf. Er wusste, dass sie nur seinetwillen so hart arbeitete. Sie wollte, dass er eine gute Schulbildung bekam, es sollte ihm an nichts fehlen. Und er schwor sich, dass er ihr eines Tages tausendmal vergelten würde, was sie für ihn getan hatte. Sie hatte ihn vor dem sicheren Tod bewahrt, ihm das Leben zum zweiten Mal geschenkt. Immer war sie für ihn da gewesen, tröstend und beschützend wie ein gütiger Engel.

Während des Krieges waren Armut und Not Michael Stolowitzkys ständige Wegbegleiter gewesen. Endlich, nach all den Jahren des Leids, sah er jetzt Licht am Ende des Tunnels. Bald würde dieses entbehrungsreiche Leben der Vergangenheit angehören. Eines Tages, in nicht allzu ferner Zukunft, würde sich alles zum Guten wenden, und es würde wieder so sein wie früher, in den sorgenfreien Tagen des Wohlstands. Davon war er fest überzeugt.

Eine glückliche, unbeschwerte Zukunft lag in greifbarer Nähe. Nicht mehr als vier Flugstunden trennten ihn von einem Schatz, der nur darauf wartete, von ihm gehoben zu werden: Millionen von Dollars auf den Konten und Goldbarren in den Tresoren von Schweizer Banken – das Vermögen seines verstorbenen Vaters, Jacob Stolowitzky, bekannt als „der Rockefeller von Polen“. Michael war sein einziger Erbe.

Das Erbe seines Vaters schien ihm eine gerechte Entschädigung für die furchtbaren Kriegsjahre. Es wurde zum Zentrum seines Denkens, Gegenstand seiner Tagträume. Während seiner Zeit bei der israelischen Armee fieberte er ungeduldig seiner Entlassung entgegen, um endlich seinen Plan zu verwirklichen.

Als junger Soldat wurde er einer Gefechtseinheit zugeteilt und von der Kugel eines syrischen Heckenschützen verwundet. Sie traf ihn bei einem Schusswechsel nördlich des Sees Genezareth ins Bein. Man brachte ihn, stöhnend vor Schmerzen, ins Krankenhaus von Poriya. Als er nach der Operation aus der Narkose erwachte, sah er seine Adoptivmutter an seinem Bett sitzen und streckte seine schwache Hand nach ihr aus.

„Weine nicht“, sagte sie und drückte seine Hand an ihr Herz, „es wird alles gut, das verspreche ich dir.“

Nach seiner Militärzeit kehrte er nach Hause in ihre bescheidene Wohnung zurück. Gleich am nächsten Tag machte er sich auf die Suche nach einem Job. Für keine Arbeit war er sich zu schade. Tagsüber flitzte er als Eilbote mit seinem Motorroller durch Jaffa-Tel Aviv, abends kellnerte er und arbeitete als Nachtwächter bei einer Textilfirma. Er wollte so viel wie möglich verdienen, so viel Geld wie möglich sparen.

Zwei Jahre später, im Juni 1958, kratzte er alle Ersparnisse zusammen und buchte einen Flug nach Zürich. Im Koffer verstaute er die verbliebenen Familiendokumente.

„Wie lange wirst du fortbleiben?“, fragte Gertruda besorgt.

„Zwei bis drei Tage vielleicht. Länger sollte es nicht dauern.“

„Und wenn sie dir das Geld nicht geben?“

„Warum sollten sie nicht?“ Er lächelte sie zuversichtlich an. „Ich bin bald wieder da“, versprach er. „Und wenn ich wiederkomme, bin ich ein reicher Mann. Dann ändert sich unser Leben.“

Sie begleitete ihn noch zum Flughafen und drückte ihm zum Abschied einen Kuss auf die Stirn. „Pass auf dich auf“, sagte sie. „Und gib gut auf das Geld acht – damit es dir nicht abhandenkommt.“

„Mach dir keine Sorgen“, antwortete er.

Aufgeregt und voll freudiger Erwartung ging er an Bord. In Zürich mietete er ein kleines Zimmer und lag die ganze Nacht wach. Er wusste nur den Namen einer Bank unter mehreren, bei denen sein Vater sein Vermögen angelegt hatte. Diese Bank suchte er am nächsten Tag auf. Unterwegs sah er vor seinem inneren Auge, wie die Bankangestellten ihm kofferweise Geldscheine aushändigten und wie er damit, reich und sorgenfrei, nach Israel zurückreiste. Er sah seine Adoptivmutter, wie sie ihn mit ausgebreiteten Armen begrüßte, und er hörte sich sagen: „Wir haben es geschafft, Gertruda, wir sind reich! Jetzt wohnen wir bald in unserem eigenen Haus, kaufen uns alles, was wir wollen – und das Wichtigste: Du musst nie wieder arbeiten!“

Sie würde ihn in die Arme schließen und sagen, was sie immer sagte: „Mein lieber Junge. Ich brauche kein Geld. Alles, was ich brauche, bist du.“

Zwei Hochzeiten

1.

Graf Stefan Roswadowsky stürzte wütend ein weiteres Glas Brandy herunter. Er war ein dickbäuchiger, rotgesichtiger Mann, auf dessen Militäruniform die Orden seiner Vorväter prangten. Seine zweiundsiebzig Lebensjahre glichen einer nie endenden Vergnügungsreise. Unter seinem breiten Kiefer hing ein rosa Doppelkinn wie ein fetter Kloß, das wie der übrige Körper durch die Jahre des ausschweifenden Lebens an Fülle zugenommen hatte.

Draußen knirschten Wagenräder auf dem Kiesweg und kündigten die Kutsche an. Ein Anflug von Übelkeit stieg wie eine böse Vorahnung in ihm auf. Er würde alles darum geben, um die folgende Begegnung zu vermeiden.

Die düsteren, bleiernen Wolken über Warschau passten zu seiner Stimmung. Ein dünner, bindfadenartiger Regen fiel kaum hörbar auf die gepflegten Gartenanlagen des herrschaftlichen Hauses in der Ujazdowska-Allee 9, als die Kutsche vor dem Eingang hielt. Der Kutscher sprang vom Bock und öffnete dem Fahrgast die Tür. Ein Mann um die vierzig in einem eleganten Wollmantel stieg aus. Er war groß und schlank, hatte einen selbstsicheren, entschlossenen Zug um den Mund und ging geschmeidigen Schrittes auf das Haus zu. Der Kutscher hielt ihm einen Regenschirm über den Kopf und geleitete ihn zur Tür. Von seinem Fenster aus beobachtete der Graf die Szene mit wachsendem Unbehagen. Jeden Augenblick würde der Gast seinen Fuß über die Schwelle setzen und damit die Familienehre der Roswadowskys und seine eigene Ehre unwiederbringlich zerstören.

Ein Dienstbote in schwarzer Livree bat den Gast mit ausdrucksloser Miene ins Haus und nahm ihm den Mantel ab.

„Wenn der Herr bitte warten möchten“, sagte er in unterwürfigem Tonfall, „ich werde Graf Roswadowsky von Ihrer Ankunft unterrichten.“

Leise öffnete der Hausdiener die Tür zu Roswadowskys Arbeitszimmer und machte eine tiefe Verbeugung. „Euer Gnaden“, kündigte er an, „Herr Stolowitzky ist da.“

Der Graf zögerte. „Es schadet dem Juden nicht, wenn er ein bisschen warten muss“, brummte er unwillig. Er brauchte noch etwas Zeit, um sich für die bevorstehende Unterredung zu wappnen.

Seufzend sank der Graf tiefer in seinen Sessel. Von den mit Samt bezogenen Wänden schauten seine Vorfahren auf ihn herab, ordensschwere Offiziere mit Schwertern, hoch zu Ross auf edlen Pferden mit wallenden Mähnen und schimmerndem Fell. Daneben prangten in Goldrahmen die Porträts ihrer schönen, üppigen Frauen in prunkvollen Gewändern, geschmückt mit Gold, Diamanten und anderen wertvollen Juwelen. Perserteppiche, von ausgesuchten Künstlern im Schweiße ihres Angesichts in den Kellern von Isfahan und Shiraz gewoben, zierten die Wände, und die Möbelstücke in dem großzügigen Zimmer hätten einem Königsschloss alle Ehre gemacht.

Der alte Graf rutschte unbehaglich hin und her, zupfte nervös an seinem gepflegten Schnurrbart und bemühte sich um Haltung. Um jeden Preis wollte er seine Unsicherheit und seinen Abscheu vor dem Treffen mit dem Besucher verbergen. Nie im Leben hätte er gedacht, dass eines Tages er, der aus einer polnischen Adelsfamilie stammte, der ausgedehnte Ländereien und wertvolle Kunstgegenstände besaß und von dessen Gunst Hunderte von Pächtern abhängig waren, sich in einer solch peinlichen, erniedrigenden Lage befinden würde. Das erschütterte seine Vorstellung von der Ordnung der Welt bis in die Grundfesten.

In der Familie des Grafen Roswadowsky spielten Ehre und gesellschaftliche Stellung eine große Rolle. Roswadowsky wusste, wie seine Vorfahren gehandelt hätten, hätte ein Jude es gewagt, seinen Fuß in ihr Haus zu setzen. Ohne zu zögern hätten sie ihn hinausgeworfen, vielleicht sogar mit Schlägen vor die Tür gejagt, wie es sich für einen gehörte, der sich erdreistete, ihre Notlage auszunutzen.

Niemals zuvor hatte jemand aus der Familie Roswadowsky es mit einem Juden zu tun gehabt wie diesem, der nun draußen in der Vorhalle wartete. In Baranowicz im Osten Polens, wo die Familie zahlreiche Gutshöfe und Ländereien besaß, verneigten sich die Juden voller Ehrfurcht, wenn die Kutsche des Grafen vorbeifuhr, und wagten nicht, ihre Augen zu heben. Wo waren diese Zeiten geblieben? Wo war seine Autorität? Wie konnte es geschehen, dass ein Jude es wagte, dieses prachtvolle Warschauer Anwesen zu betreten? Es war eines der vielen Herrschaftshäuser in ganz Polen, die sich im Besitz der Familie befanden. Und nun kam dieser Jude ins Haus, nicht etwa, um einen Gefallen zu erbitten, sondern weil er, der Graf, ihn zu sich gebeten hatte, damit er ihm aus einer Notlage half.

Juden wie Moshe Stolowitzky waren dem Grafen Roswadowsky fremd. Stolowitzkys Leben war von Wohlstand und Einfluss geprägt, und es gab nicht viele Männer in Polen, die es mit seinem Reichtum aufnehmen konnten. Einen Großteil seines Vermögens hatte er von seinem Vater geerbt, einem geschickten Geschäftsmann, der vor dem Ersten Weltkrieg mit der Produktion und dem Verkauf von Eisenbahnschwellen reich geworden war, ferner mit der Herstellung von Mühlsteinen für Getreidemühlen, einem Gasthaus in seinem Heimatort Baranowicz sowie durch erfolgreiche Immobiliengeschäfte. Als Baranowicz im Ersten Weltkrieg an die Russen fiel, flohen viele Einwohner nach Warschau. Moshe Stolowitzky gelang es, den größten Teil seines Vermögens zu retten.

Graf Roswadowsky hatte weniger Glück gehabt. Er floh bei Nacht und Nebel und musste einen Großteil seines Besitzes zurücklassen. Unterschlupf fand er in seinem Palais in Warschau. Bald jedoch wurde das Geld knapp, sein Schuldenberg wuchs immer höher und die Gläubiger wurden immer ungeduldiger. Er wusste, es gab nur noch den einen schmerzvollen Ausweg: Er musste Häuser und Ländereien verkaufen. Käufer kamen und gingen. Manche wollten seine Notlage schamlos ausnutzen und versuchten, gnadenlos den Preis zu drücken. Andere boten angemessene Preise, die jedoch immer noch nicht hoch genug waren. Bis eines Tages Moshe Stolowitzky auf der Bildfläche erschien und ein gutes Angebot machte.

Der Diener kam nach ein paar Minuten zurück. „Herr Stolowitzky ist in Eile“, meldete er, „er sagt, er könne nicht länger warten.“

Der Graf schnaubte verächtlich. „Der Jude hat vielleicht Nerven“, brummte er ungehalten.

Der Dienstbote blieb stumm stehen und wartete auf weitere Anweisungen.

Roswadowsky schluckte seinen Widerwillen herunter. „Na schön, er soll reinkommen.“

Kurz darauf stand Moshe Stolowitzky in der Tür und blickte den Grafen respektlos an. Er war sich seiner überlegenen Position bewusst. Daher nahm er sich keine Zeit, um Nettigkeiten auszutauschen, sondern kam gleich auf das Geschäftliche zu sprechen, was Roswadowsky missfiel. Der Gast war ein harter Verhandlungspartner, und in der darauffolgenden Stunde verkaufte ihm der Graf mehrere Häuser und Ländereien in Baranowicz und überschrieb ihm das Anwesen in Warschau. Wie immer, wenn er in Geldnot war, war die Familienehre plötzlich zweitrangig. Er schluckte seine verletzten Gefühle hinunter und unterschrieb schweren Herzens die Kaufverträge.

Es fiel ihm nicht leicht, sich von seinem Besitz zu trennen – schon gar nicht von dem Warschauer Herrschaftshaus mit den wertvollen Möbeln und Kunstgegenständen, das sein ganzer Stolz gewesen war. Es schmerzte ihn, all das aufgeben zu müssen: ein Heer von Dienstboten, eine mit Delikatessen aus aller Welt gefüllte Speisekammer, einen Weinkeller mit erstklassigen Weinen. Und dann die festlichen Bankette, bei denen reiche Geschäftsleute und alles, was in Polen Rang und Namen hatte, zu Gast gewesen waren. Und all das nur, um einen skandalösen Privatkonkurs zu vermeiden.

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Das Palais der Familie Stolowitzky, Warschau

Seine junge Geliebte, eine schwarzhaarige Schönheit und Tochter eines seiner Pächter, die ebenfalls in dem Palais in Warschau lebte und seine Besuche dort noch angenehmer machte, weinte bitterlich, als sie ihre Sachen packen musste. Der Graf stand hilflos daneben.

„Was wird nun aus mir? Und was wird aus uns?“, schluchzte sie.

Der Graf strich ihr übers Haar und blinzelte eine Träne aus den Augenwinkeln weg. Er hatte keine Antwort.

Moshe Stolowitzky verließ das Haus mit dem Gefühl, ein hervorragendes Geschäft gemacht zu haben. Er war als erfahrener Geschäftsmann bekannt. Sein scharfer Verstand und seine Zielstrebigkeit ebneten ihm den Weg in die obersten Etagen der Regierungsbehörden, und schon bald war er der Vertragspartner im Eisenbahngeschäft. Er beschäftigte Hunderte von Arbeitern, die Schienen durch ganz Polen und später durch ganz Russland verlegten. Antisemitische Äußerungen prallten an ihm ab, denn er wusste, dass kein Judenhasser es wagen würde, ihm ein Haar zu krümmen. Bei festlichen Anlässen lud er Regierungsvertreter und die übrige Elite Polens ein und war auch in ihren Häusern ein gern gesehener Gast.

Graf Roswadowsky erbat sich eine Frist von einer Woche, um aus seinem Warschauer Palais auszuziehen. Nachdem der letzte Möbelwagen das Gelände für immer verlassen hatte, zog Moshe Stolowitzky mit seiner Frau Hava und ihrem kleinen Sohn Jacob ein.

2.

Moshe Stolowitzky war nicht nur reich, sondern auch stolz auf seine jüdischen Wurzeln. Regelmäßig las er die jiddische Tageszeitung, Dos Yidishe Tageblat, und besuchte gemeinsam mit seiner Frau das von dem Schauspieler Zigmund Turkow gegründete jüdische Theater „Wikt“. Ferner hatte er in den jiddischen Film „Jiddl mitn Fiddl“ investiert, der weltweit zum jüdischen Kinohit wurde. Er unterstützte jüdische Schriftsteller sowie jüdische Schulen und Jeschiwas (Talmudschulen, an denen sich männliche Schüler dem Studium der überlieferten Auslegung des Alten Testaments widmen; d. Übers.). Jeden Freitag ließ er für das Sabbatmahl Lebensmittelkörbe für die Armen in die Stadt bringen, und in seinem Haus hatte er – wie es bei vielen wohlhabenden Juden üblich war – eine kleine Schachtel mit Bargeld für die Bettler, die täglich an seine Tür klopften.

Jacob, sein einziger Sohn, sollte in die Fußstapfen seines Vaters treten. Moshe beschäftigte mehrere Hauslehrer, die Jacob in Hebräisch und Naturwissenschaften unterrichteten, abonnierte für ihn die hebräische Kinderzeitschrift Olam Katan (Kleine Welt) und war glücklich, als Jacob Geschichten über die Chassidim – besonders fromme Juden – und die heiligen Stätten des Gelobten Landes zu lesen begann.

An einem stürmischen Winterabend saß Moshe Stolowitzky in der ersten Reihe des Novoschi-Auditoriums, wo sich etwa dreitausend Juden versammelt hatten, um den Zionisten Zeev Jabotinsky sprechen zu hören. Der kleine Mann mit der intellektuellen Brille und dem ernsten Gesicht rief in seiner Rede leidenschaftlich dazu auf, nach Israel auszuwandern, bevor die Juden aus Europa vertrieben würden. Obwohl Moshe Stolowitzky ein Bewunderer Jabotinskys und seiner Bücher war, hielt er dessen Theorie der lauernden Gefahr für die europäischen Juden für reichlich übertrieben. Wie die meisten ihrer Freunde betrachteten die Stolowitzkys Polen als ihre Heimat und waren dankbar für den Wohlstand, zu dem sie es dort gebracht hatten. Sie führten ein gutes, angenehmes Leben und dachten nicht im Traum daran, dass ihnen schwere Zeiten bevorstehen könnten, wie Jabotinsky es in seiner düsteren Prophezeiung voraussagte.

Doch es dauerte nicht lange, bis Moshe Stolowitzky am eigenen Leib erfuhr, dass ein weiteres Leben in Wohlstand und Sicherheit eine trügerische Illusion war. Es war an einem Freitagabend, und der jüdische Millionär saß auf seinem gepolsterten Stuhl gegenüber der Nachbildung der Bundeslade in der Tlomackie-Synagoge, der größten und ältesten Synagoge Warschaus. Andächtig lauschte er den Gesängen des berühmten Kantors Moshe Koussevitzky, und als der Gottesdienst vorüber war, verließ er die Synagoge gemeinsam mit einer Gruppe von Gläubigen. Seine Kutsche stand schon bereit. Zu Hause wartete seine Familie mit dem traditionellen Sabbatmahl.

Aber Stolowitzky kam nicht weit. Eine Horde jugendlicher Antisemiten umzingelte die Gläubigen, warf mit Steinen und beschimpfte sie in übelster Weise. Die Juden erstarrten vor Schreck und wussten nicht, wie ihnen geschah. Die meisten von ihnen waren in der Vergangenheit schon Zeugen antisemitischer Übergriffe gewesen, doch niemals derart gezielter und brutaler. Als die Angreifer versuchten, ihnen die Gebetsschals zu entreißen, wehrten sich die Opfer. Bald war eine Schlägerei im Gang, die erst ein Ende nahm, als die Polizei einschritt und Recht und Ordnung wiederherstellte.

Zerschrammt und mit zerrissenen Kleidern fuhr Moshe Stolowitzky nach Hause. Der Vorfall an sich beunruhigte ihn nicht allzu sehr. Er zog es vor zu glauben, dass vereinzelte Übergriffe auf Juden noch lange kein Beweis für eine gefährliche Entwicklung waren. Am meisten Sorgen bereitete ihm, dass seine Frau solche Dinge ernster nahm als er, und so erzählte er ihr, er sei vor der Synagoge gestürzt. Sie ließ sofort einen Arzt kommen, der seine Wunden verband und ihm zwei Tage Bettruhe verordnete.

Eine Woche darauf in der Synagoge verkündete der Rabbiner, dessen gebrochener Arm in der Schlinge an die gewaltsamen Ausschreitungen erinnerte, nach Beendigung der Gebete von der Kanzel: „Ich habe beschlossen, das Land zu verlassen und mit meiner Familie nach Jerusalem zu gehen. Polen ist für uns Juden eine tödliche Falle. Wem sein Leben lieb ist, der tut gut daran, seine Sachen zu packen und auszuwandern, bevor es zu spät ist.“

Moshe Stolowitzky wünschte ihm alles Gute. Zu Hause erzählte er seiner Frau von der Entscheidung des Rabbiners, Polen zu verlassen. „Vielleicht hat er recht“, antwortete sie nachdenklich.

„Unsinn!“ Moshe erhob seine Stimme. „Es besteht keinerlei Grund zur Panik.“

3.

Der 28. Juni 1924 war ein strahlender, heißer Sommertag. Die Warschauer Bürger flanierten durch die Grünanlagen, die das Flussufer säumten. An jenem Nachmittag stellte Jacob Stolowitzky seinen Eltern seine Verlobte Lydia vor. Er war damals zweiundzwanzig und seine zukünftige Braut war zwanzig Jahre jung, ein schlankes, hübsches Mädchen, Tochter eines jüdischen Offiziers aus Krakau, die in Warschau Politikwissenschaften studierte. Sie hatten sich auf einem Fest bei gemeinsamen Freunden kennengelernt, und es war Liebe auf den ersten Blick gewesen.

Hava und Moshe Stolowitzky empfingen die Verlobte ihres Sohnes im Festsaal ihres Palais und unterhielten sich mit ihr über ihre Familie und über ihr Studium. Sie fanden die junge Frau sehr sympathisch und sahen geflissentlich darüber hinweg, dass ihre Eltern weniger begütert waren als sie selbst. Sie war Jüdin und ihr Sohn liebte sie, alles andere würde sich finden. Bei dem festlichen Bankett, das sie für Lydia und ihre Eltern gaben, tranken die Gäste auf das junge Paar, und noch am selben Abend wurde das Hochzeitsdatum verkündet.

Drei Monate später war die gesamte Elite Warschaus Zeuge einer unvergesslichen Zeremonie. Mitglieder der Regierung, Führungspersönlichkeiten aus der Wirtschaft, Großindustrielle, Künstler und Intellektuelle strömten in das herrschaftliche Haus und gratulierten dem frisch vermählten Paar und den glücklichen Eltern. Dutzende von Hausangestellten reichten Tabletts mit erlesenen Köstlichkeiten herum und schenkten Champagner nach. Das Orchester spielte, bis der letzte Gast gegangen war.

Das junge Paar verbrachte die Flitterwochen in der Schweiz. Als Jacob und Lydia nach Warschau zurückkehrten, überraschte Moshe Stolowitzky sie mit dem Vorschlag, ebenfalls in dem großzügigen Palais zu wohnen. Die Jungvermählten willigten gerne ein, und Moshe stellte ihnen einen geräumigen Seitenflügel zur Verfügung.

Jacob und Lydia fanden in dem großen Haus allen Komfort, den sie sich wünschen konnten. Lydia kümmerte sich um die Inneneinrichtung und ließ Möbel aus Italien kommen. Sie beaufsichtigte die Angestellten in ihrem Flügel – eine Haushälterin, einen Koch, zwei Putzfrauen und einen Chauffeur. Jacob bekam einen leitenden Posten in der Firma seines Vaters, und die Geschäfte florierten wie nie zuvor. Er reiste geschäftlich durch ganz Europa, unterzeichnete Verträge mit verschiedenen Staaten und verdiente gutes Geld.

Mehr als alles andere wünschten sich die beiden ein Kind. Lydia träumte davon, dass ihr Sohn einmal Arzt werden würde, Jacob dagegen wünschte sich, dass er in seine Fußstapfen treten, später die Firma übernehmen und somit eines Tages das Stolowitzky-Imperium erben würde. Obwohl sie darin unterschiedlicher Meinung waren, waren sie sich in den meisten Dingen einig und glaubten, dass ihnen eine herrliche, sorgenfreie Zukunft beschieden war, in der ihr Kind stets auf Rosen gebettet sein würde.

Sie sollten sich irren.

4.

Karl Rink hatte schon immer mehr vom Leben erwartet. Er war Junggeselle, vierundzwanzig Jahre alt, mit blauen Augen und kurz geschorenem Haar und arbeitete als Buchhalter bei dem Chemieunternehmen I.G. Farben in Berlin. Sein mageres Gehalt reichte kaum aus, um seinen Lebensunterhalt zu bestreiten. Sein Büro war klein und dunkel und seine Arbeit langweilte ihn. Karl träumte von einer anderen Karriere, von einem Beruf, der lukrativer und interessanter war und in dem er wirklich erfolgreich sein konnte. Hin und wieder nahm er einen Anlauf und machte sich auf die Suche nach einer neuen Arbeit, doch die einzigen Stellen, für die er qualifiziert zu sein schien, waren in der Buchhaltung. Sehr schnell hatte er begriffen, dass sich Hunderte von Bewerbern auf die interessanten Stellenangebote stürzten, darunter viele, die besser und qualifizierter waren als er. Mit der Zeit hatte er nur noch wenig Hoffnung, dass sich jemals etwas ändern würde.

Der einzige Ausgleich zu seinem eintönigen Alltag war der Sport. Rink war ein ausgezeichneter Radrennfahrer – hier konnte er sein echtes Talent zeigen. Er gehörte dem firmeneigenen Sportverein an, trainierte jedes Wochenende und bei jedem Wetter, quälte sich im Gebirge auf steilen Pfaden bergan. Im Regal seiner kleinen Wohnung reihten sich die Pokale. Darüber hing in einem Rahmen ein Artikel aus einer Lokalzeitung über seinen Sieg in einem regionalen Radrennen.

Am 12. September 1924 hatte er es besonders eilig, nach der Arbeit nach Hause zu kommen. In seiner Einzimmerwohnung in einer trostlosen Arbeitersiedlung im Berliner Westen zog er seinen dunklen Anzug an, band sich eine Krawatte um und holte seine Eltern ab, die in einem entfernten Vorort wohnten. Mit dem Bus fuhren sie zu dritt zum Standesamt, wo Mira, ihre Eltern und eine Handvoll Freunde schon auf sie warteten.

Mira, ein Mädchen von einundzwanzig Jahren mit dunklem Haar, heller Haut und molliger Figur, war beim Justizministerium in der Abteilung für Testamente als Bürokraft beschäftigt. Arm in Arm stand sie mit Karl in ihrem weißen Kleid vor dem Standesbeamten, der ihre Trauung vollzog.

Dass Mira Jüdin war, stand ihrer Liebe nicht im Wege. Karls Eltern – sein Vater war Lastwagenfahrer und seine Mutter Hausfrau – kümmerten sich nicht um kulturelle oder religiöse Unterschiede und liebten Mira wie eine Tochter. Miras Eltern besaßen ein Lebensmittelgeschäft und lebten streng nach den jüdischen Gesetzen und Bräuchen. Auch wenn Ehen zwischen Juden und Christen in Berlin keine Seltenheit waren, hatten sich Miras Eltern entschieden gegen eine Verbindung mit einem Nicht-Juden ausgesprochen. Karl und Mira hatte lange Zeit versucht, mit ihnen zu reden und sie umzustimmen. Und Mira hatte so lange gebeten, ihren Verlobten heiraten zu dürfen, bis ihre Eltern sich geschlagen gaben.

Das junge Paar bekam ein paar wenige Hochzeitsgeschenke, vorwiegend Gläser und Porzellan. Karls Kollegen hatten eine kleine Summe gesammelt, und sein Chef überreichte ihm einen Umschlag mit einem Wochenlohn. Die Eltern des Hochzeitspaares gaben einen bescheidenen Empfang und schenkten den Frischvermählten ein Doppelbett.

Verliebt und glücklich verbrachten Mira und Karl ihre zweitägige Hochzeitsreise in einem kleinen Ort im Schwarzwald. Mit dem Rad fuhren sie auf verschlungenen Wegen durch die Wälder, aßen Blutwurst und tanzten bis in die frühen Morgenstunden zur Musik einer einheimischen Kapelle in einem örtlichen Gasthof. Wieder in Berlin, zog Mira in Karls Wohnung ein, und als das Jahr zu Ende ging, wurde ihre Tochter Helga geboren. Die stolzen Eltern standen stundenlang vor der Wiege und konnten sich nicht sattsehen an dem kleinen Wesen.

Ihr Leben war ruhig und beschaulich. Sie liebten einander und ihre kleine Tochter und spazierten gern an warmen Wochenenden mit dem Kinderwagen durch den Park. Mira wurde im Justizministerium befördert, und Karl gab die Hoffnung nicht auf, eines Tages endlich seine Traumstelle zu finden. Beide blickten sie der Zukunft zuversichtlich entgegen und freuten sich auf ein Leben voll Glück, Wohlstand und beruflicher Erfüllung.

Sie sollten sich irren.

Das Kind

1.

Im Frühling des Jahres 1931, als der Winter sich mit Regen und Schneeschauern verabschiedet hatte und die ersten warmen Sonnenstrahlen zaghaft durch die Wolken brachen, wurde Karl Rink in die Zentrale der nationalsozialistischen Partei geladen. Er wusste, dass der Sportverein seiner Firma, wie viele andere Sportvereine, unter der Schirmherrschaft der SS stand – der „Schutzstaffel“, einer Eliteeinheit der Partei. Die SS war berüchtigt für ihre Disziplin und ihre strengen, brutalen Methoden. Karl hatte sich nie besonders für Politik interessiert. Alles, was er wollte, war Rad fahren, Rennen gewinnen, neue Rekorde aufstellen und eines Tages eine bessere Arbeit finden. Die Nationalsozialisten interessierten ihn nur in einer einzigen Hinsicht: Sie pumpten Geld in den Sportverein, förderten die Sportler und stifteten Preise und Pokale. Er war noch nie zuvor in der Parteizentrale gewesen und neugierig auf das bevorstehende Treffen.

Ein stämmiger Mann in SS-Uniform begrüßte ihn mit einem festen Händedruck und stellte sich als Sportbeauftragter der Partei vor. Mit einem gewinnenden Lächeln überreichte er Karl einen Silberpokal als Anerkennung für seine Leistungen im Radrennsport im vergangenen Jahr mit den Worten: „Machen Sie weiter so, Rink. Die Partei schätzt Männer wie Sie.“

Karl freute sich über das Lob und die Anerkennung des SS-Mannes. Am darauffolgenden Sonntag machte er mit Mira und der kleinen Helga einen Ausflug an einen nahe gelegenen See. Es war ein warmer, sonniger Tag, und in den Cafés am Ufer saßen Leute im besten Sonntagsstaat bei Kaffee und Kuchen, löffelten Eiskrem und sahen den vorbeiziehenden Segelbooten zu. Die Zeiten waren hart, und die wirtschaftliche Lage spitzte sich zu, doch die Ausflügler taten so, als beträfe sie das alles nicht. Als wüssten sie nicht, dass in ihrem Wohnviertel ein Geschäft nach dem anderen Konkurs anmelden musste und dass die Arbeitslosenzahlen täglich stiegen. Karl dankte seinem Glücksstern für sein sicheres Einkommen und dass man seine Leistungen im Sport würdigte. Und dafür, dass er mit seiner Frau und seiner über alles geliebten Tochter in einem Café am Seeufer in dieser bezaubernden Ecke Berlins sitzen durfte.

Doch das ungetrübte Glück währte nur kurze Zeit. Eines Morgens wurde Karl ins Büro seines Abteilungsleiters gerufen. Erwartungsvoll betrat er das Zimmer, in der Hoffnung auf eine Beförderung und auf einen besser bezahlten, interessanteren Posten. Doch er hatte sich zu früh gefreut.

„Wissen Sie, Herr Rink“, hörte er den Abteilungsleiter sagen, „die Wirtschaftskrise hat unsere Firma schwer getroffen. Die Aufträge sind stark zurückgegangen, unsere Verluste werden von Tag zu Tag größer. Unter diesen Umständen sehen wir uns gezwungen, einige Mitarbeiter zu entlassen. Es tut mir leid, Herr Rink, dass es auch Sie betrifft.“

Zehn Jahre lang hatte er für die Firma gearbeitet. Die Entlassung traf ihn wie ein Donnerschlag. Wortlos nahm er seinen Mantel und den Umschlag mit der bescheidenen Abfindungssumme und ging nach Hause.

Als Karl die Tür aufschloss und plötzlich in der Wohnung stand, warf sich die inzwischen sechsjährige Helga mit einem Freudenschrei in seine Arme. Normalerweise kam ihr Vater nie so früh nach Hause. Auch Mira war überrascht, ihn zu sehen. „Was ist passiert, Karl?“, fragte sie besorgt. „Bist du krank?“

„Nein“, erwiderte er mit tonloser Stimme. „Ich bin entlassen.“

Mira sah ihn entsetzt an. Auch wenn die Arbeitslosigkeit im Land stieg und sich die wirtschaftliche Situation immer mehr verschlechterte, konnte sie nicht glauben, dass nun auch sie – wie viele andere Familien – ihre Lebensgrundlage einbüßen sollten. Täglich begegnete sie Leuten aus der Nachbarschaft, die ihre Arbeit verloren hatten. Man erkannte sie an ihrem schleppenden Gang und ihrem zu Boden gerichteten Blick, unfähig, jenen in die Augen zu schauen, denen das Glück hold war und die noch in der Lage waren, ihre Familien zu ernähren.

Mira seufzte. Nun würden auch sie sich in das Heer dieser gebeugten Unglücksgestalten einreihen. Zum Glück hatten sie noch ihr bescheidenes Gehalt vom Ministerium, doch sie wussten beide, dass es nicht reichen würde.

„Was wirst du jetzt tun?“, fragte sie ängstlich.

„Eine neue Arbeit suchen“, antwortete Karl, doch ihm war klar, dass dies nicht einfach sein würde.

An jenem Abend blieben sie lange auf und unterhielten sich mit gedämpften Stimmen über ihre ungewisse Zukunft. Sie überlegten, wer aus ihrem Bekanntenkreis ihnen vielleicht helfen konnte. Karl versprach, sich gleich am nächsten Tag auf die Suche nach Arbeit zu machen – irgendeiner Arbeit, solange sie ihm ein regelmäßiges Gehalt einbrachte. Er redete sich ein, dass bestimmt jemand eine Stelle für ihn hätte oder ihm in irgendeiner Weise weiterhelfen konnte.

Er klopfte an die Türen sämtlicher Bekannten, die ihm alle höflich zuhörten, als er sein Anliegen vorbrachte. Doch helfen konnte ihm keiner. Stundenlang lief er von einer Firma zur nächsten und bot sich für alle möglichen Arbeiten an, doch am Abend kehrte er mit leeren Händen zurück.

In den folgenden Tagen wanderte er mehr oder weniger ziellos umher, um den Blick aus Miras enttäuschten, glanzlosen Augen nicht ertragen zu müssen. Überall war er von ungeduldigen Arbeitgebern abgewiesen worden. Er hatte kaum noch Hoffnung, irgendeine Arbeit zu finden. Da er sich nicht traute, vor Einbruch der Dunkelheit nach Hause zu kommen, besuchte er regelmäßig das kleine Kino in ihrem Viertel, wo er sich Tag für Tag denselben Film ansah. Dort saß er zusammengesunken in seinem Sitz, allein und verzweifelt, und starrte auf die Leinwand, ohne die Bilder zu sehen.

Eines Tages, nach erneuter erfolgloser Arbeitssuche, kam er an einem Gebäude vorbei, in dem gerade eine nationalsozialistische Parteiversammlung stattfand. Er trat ein, traf ein paar Bekannte aus dem Sportverein und lauschte den kämpferischen Worten der Redner, die einen wirtschaftlichen Aufschwung für Deutschland versprachen, wenn die Partei an die Macht käme. Die Arbeitslosen wurden aufgerufen, sich der NSDAP anzuschließen, so an der neuen Weltordnung mitzubauen und den Ruhm des Landes wiederherzustellen.

Karl hörte aufmerksam zu. Eine neue Hoffnung keimte in ihm auf. Am Schluss der Veranstaltung war er einer der Ersten, die nach vorn gingen, um sich einzutragen. Er war nun offiziell Mitglied der Nationalsozialistischen Partei. In den darauf folgenden Tagen verpasste er keine Versammlung. Bald wurde er zu Parteidiensten herangezogen und lernte, Adolf Hitler zu bewundern, den „Führer“, der es verstand, seine Zuhörer zu fesseln wie kein anderer. Karl war von neuem Selbstbewusstsein erfüllt. Hier wurde er gebraucht. Und er wollte alles dafür tun, damit die Partei an die Macht kam, die seinem Land und ihm selbst eine neue Zukunft bieten konnte.

2.

Die Juden in Deutschland beobachteten die steigende Popularität der NSDAP mit wachsender Sorge. Wie eine riesige Krake streckte die Partei ihre Arme in alle Richtungen aus und durchdrang sämtliche Bereiche des öffentlichen Lebens. Hitler griff mit eiserner Faust durch. Um das Ziel seiner Machtergreifung zu verfolgen, war ihm jedes Mittel recht: die Vernichtung politischer Feinde, eine gezielte Propaganda der Angst und das Aufhetzen der Massen gegen die Juden, indem er behauptete, sie seien die Hauptschuldigen an der schlechten wirtschaftlichen Lage Deutschlands und verantwortlich für Armut und Arbeitslosigkeit im Land.

Karl bezahlte für seinen Eintritt in die NSDAP einen hohen Preis. Seine Parteizugehörigkeit verursachte einen Vertrauensbruch bei seinen jüdischen Verwandten und Freunden, insbesondere bei Miras Eltern. Viele von Miras und Karls gemeinsamen Freunden brachen den Kontakt zu ihnen ab. Miras Eltern verboten ihm, noch einmal einen Fuß über ihre Schwelle zu setzen.

Mira flehte ihren Mann immer wieder an, aus der Partei auszutreten, doch ihre stundenlangen Diskussionen führten zu nichts.

„Deine Parteifreunde sind gewissenlose Mörder“, sagte sie mehr als einmal. „Wer anderer Meinung ist und sich gegen sie stellt, den bringen sie kaltblütig um die Ecke. Und sie werden alles tun, um die Juden loszuwerden.“

„Du übertreibst, meine Liebe“, wiegelte er ab. „Diese Stimmungsmache gegen die Juden ist bloß eine Strategie, um Wähler zu gewinnen.“

Naiv glaubte er an die lauteren Motive Hitlers und gab vor, als Parteimitglied keine andere Wahl zu haben, als die Ideologie der Nazis zu unterstützen. „Du wirst sehen, wie gut es uns gehen wird, wenn Hitler an die Macht kommt“, sagte er zuversichtlich.

Mira schaute ihn entgeistert an. „Was redest du da, Karl? Wenn Hitler an die Macht kommt, wird es uns schlecht gehen – vor allem uns Juden!“

Karl beendete die Diskussion mit einer ungeduldigen Handbewegung. „Was verstehst du schon von Politik!“

Mira begriff, dass er verbohrt war: Es hatte keinen Sinn, vernünftig mit ihm zu reden. Sie schwieg, doch sie spürte, wie sich eine kalte Faust um ihr Herz schloss.

Blind für die düstere Realität, weitete Karl seine Aktivitäten innerhalb der Partei mehr und mehr aus. Bald wurde ihm nahegelegt, der SS beizutreten, wo man ihn mit offenen Armen empfing. Nach einer gründlichen medizinischen Untersuchung wurde ihm eine ausgezeichnete Gesundheit bescheinigt. Ein Psychologe befragte ihn über seine Eltern, seine Kindheit, seine Ausbildung, seine Freunde, seine Familie, seinen Beruf und seine Hobbys.

In beinahe jeder Hinsicht war Karl der ideale Kandidat für die SS: Er war „reiner Arier“, hoch motiviert und körperlich fit. Es gab nur einen wunden Punkt: Er war mit einer Jüdin verheiratet. Doch die SS-Führer wollten Rink um jeden Preis und waren überzeugt, dieses Problem würde sich früher oder später von selbst lösen. Er bekam ein gutes Gehalt und wurde zu einem dreiwöchigen Ausbildungslehrgang in ein geheimes Übungslager in einer abgelegenen Gegend geschickt. Dort lernten die angehenden SS-Männer Passagen aus Hitlers Buch Mein Kampf auswendig sowie den Umgang mit verschiedenen Waffen. Sie mussten sich einem harten Ausdauertraining unterziehen und körperliche und psychische Strapazen ertragen. Sie lernten Methoden der Verhörstrategie und der Folter, mussten Hunden und Katzen mit bloßen Händen den Hals umdrehen, in Schützengräben liegen, während Fahrzeuge über sie hinwegrollten, ihre Kameraden in gnadenlosen Ringkämpfen außer Gefecht setzen, tagelang ohne Essen auskommen und Schläge und Dunkelhaft ertragen.

Karl bestand das Training ohne größere Schwierigkeiten. Am Ende des Lehrgangs legte er seinen Eid ab und schwor dem Führer „Treue und Gehorsam“ bis in den Tod. Das SS-Symbol, zwei parallel verlaufende Blitze, wurde ihm in den Arm tätowiert. Er erhielt eine schwarze Uniform, neue Stiefel, eine Armbinde mit Hakenkreuz und einen Dolch, der am Gürtel zu tragen war.

Als Karl in seiner neuen Uniform nach Hause kam, fing Helga bei seinem Anblick an zu weinen und in Miras Augen stand das blanke Entsetzen.

„Du machst mir Angst“, sagte sie.

„Es ist bloß eine Uniform“, versuchte er sie zu beruhigen. „Viele Deutsche tragen so etwas heutzutage.“

Sie seufzte. „Ich habe kein gutes Gefühl bei der Sache, Karl.“

„Es besteht kein Grund zur Sorge, Mira.“

„Wissen deine Vorgesetzten, dass du eine jüdische Frau hast?“

„Ich habe nie ein Geheimnis daraus gemacht.“

„Und wie war ihre Reaktion?“

„Sie schienen nichts dagegen zu haben.“

Ihre Augen im blassen, ängstlichen Gesicht schienen riesengroß. „Noch nicht, Karl, noch nicht. Aber glaube mir, eines Tages werden sie eine ganze Menge dagegen haben.“

„Unsinn“, widersprach er. „Sie werden sich damit abfinden müssen.“

Doch Mira ließ nicht locker. „Erzähl mir nicht, sie hätten euch in diesem Übungslager die Rassenlehre der Nazis vorenthalten.“

„Die Rassentheorie gehörte auch zum Lehrgang.“

„Und das bedeutet“, nickte Mira, „sie werden früher oder später verlangen, dass du dich zwischen mir und der SS entscheidest. Was willst du ihnen dann erzählen?“

„Dann werde ich sie davon überzeugen, dass du keine Gefahr für die Partei darstellst“, sagte er bestimmt. „Ich werde ihnen sagen, dass du voll und ganz hinter mir stehst.“

Mira senkte den Kopf und wandte sich ab. „Du bist naiv, Karl. So naiv.“

3.

Mit der Machtübernahme Hitlers im Januar 1933 erfüllten sich Miras Voraussagen. Von nun an tat die nationalsozialistische Führung alles, um das jüdische Leben in Deutschland in sämtlichen Bereichen zu untergraben und die Juden ihrer kulturellen, sozialen und wirtschaftlichen Grundlagen zu berauben. Jüdische Angestellte in Regierungsbehörden wurden postwendend entlassen, ebenso jüdische Professoren an den Hochschulen und jüdische Führungskräfte in öffentlichen Einrichtungen. Sie wurden durch Deutsche, die sich als „reine Arier“ ausweisen konnten, ersetzt.

Mira Rink verlor ihre Stelle im Justizministerium. Ihr Vorgesetzter entließ sie ohne Kündigungsschreiben mit den lapidaren Worten: „Laut Gesetz dürfen wir Sie nicht mehr beschäftigen. Bitte verlassen Sie noch heute das Ministerium.“

Sie erhielt keinerlei Abfindung, auch den Lohn des angebrochenen Monats blieb man ihr schuldig.

Niedergeschlagen und beschämt ging sie nach Hause und kochte Essen für die achtjährige Helga, die um die Mittagszeit aus der Schule kam.

Als ihre Tochter sah, dass ihre Mutter schon da war, machte sie große Augen. „Mir war heute nicht gut“, stieß Mira hastig als Entschuldigung hervor. Dann erst bemerkte sie die ungewöhnliche Anspannung ihrer Tochter und ahnte, dass in der Schule etwas vorgefallen war.

„Unser Lehrer hat heute gesagt, dass er uns nicht mehr unterrichten kann“, erzählte das Mädchen stockend. „Morgen kriegen wir einen neuen Lehrer.“

Mira kannte den jüdischen Lehrer, er wohnte im gleichen Viertel. Er hatte eine kranke Frau und drei Kinder.

Bei Tisch versuchte sie, so normal wie möglich zu klingen, um Helga nicht weiter zu beunruhigen. Danach half sie ihr bei den Rechenaufgaben. Am Abend, als Karl nach Hause kam, erzählte sie ihm, dass sie entlassen worden war – und ebenso Helgas Lehrer.

„Es ist genauso gekommen, wie ich immer befürchtet habe.“ Ihre Stimme klang gepresst. „Deine Nazis werden keine Ruhe geben, bis alle Juden in Deutschland erledigt sind.“

Karl strich ihr beruhigend über den Kopf. Noch immer leugnete er die drohende Gefahr und verschloss die Augen vor den Tatsachen.

„Ich verstehe deine Sorge“, beschwichtigte er sie, „aber das Ganze ist nichts weiter als ein Kraftakt, in dem Hitler sich beweisen muss. In Wirklichkeit kümmern ihn die Juden herzlich wenig, denn er hat andere, wichtigere Dinge im Kopf wie etwa die wirtschaftliche Lage Deutschlands. Außerdem können wir froh sein, dass ich einen sicheren Arbeitsplatz habe. Was sollte jetzt ohne mein Gehalt aus uns werden?“

In den nächsten Tagen kam Karl früher als sonst nach Hause, meistens mit einem Blumenstrauß. Regelmäßig lud er Mira ins Kino oder ins Theater ein und kaufte ihr kleine Geschenke und neue Bücher, da sie gern las. Er hoffte, sie würde sich bald wieder beruhigen und an die neue Situation gewöhnen. Dann würde es ihr sicher auch gelingen, die Dinge optimistischer zu sehen.

Doch Mira sah die Realität allzu deutlich. Die Übergriffe auf Juden, die Einschränkung ihrer Bewegungsfreiheit und die Zerstörung ihrer Lebensgrundlage nahmen in drastischem Maße zu. Überall, auch in Privatunternehmen, kam es vermehrt zu Entlassungen. Die Zeitungen waren voller Hetztiraden und Verleumdungen, jüdische Geschäfte und Produkte wurden boykottiert. Miras Eltern standen kurz vor der Schließung ihres Lebensmittelladens, weil die Kundschaft ausblieb. Am 14. November 1935 wurden die Nürnberger Rassengesetze verabschiedet. Die Juden verloren die deutsche Staatsangehörigkeit. Außerdem verbot das Gesetz „Mischehen“ zwischen Juden und Ariern. „Weißt du, dass wir nach dem Gesetz eigentlich gar nicht mehr verheiratet sein dürften?“ Miras Stimme klang bitter.

Wie gewöhnlich versuchte Karl ihre Bedenken zu zerstreuen. „Du wirst immer meine Frau bleiben“, erklärte er feierlich. „Niemand kann uns trennen.“

4.

In Warschau mussten Lydia und Jacob Stolowitzky am eigenen Leib erfahren, dass man sich mit Geld nicht alle Wünsche erfüllen kann und dass Reichtum nicht jede Sehnsucht stillt. Nach der ersten unbeschwerten Zeit, in der sie ihre junge Liebe und ihren Wohlstand genossen, schwand ihre Lebensfreude von Jahr zu Jahr. Lydia bewegte sich wie ein Schatten durch das große Haus, freudlos und stumm. Sie veranstaltete keine Partys oder Konzerte mehr, Freunde wurden nur noch selten eingeladen. In unzähligen Nächten weinte sie sich in den Schlaf. Denn trotz aller Bemühungen konnte sie nicht schwanger werden. Die Ärzte hatten alle Möglichkeiten ausgeschöpft und mussten eingestehen, dass sie ihr nicht helfen konnten. Alles deutete darauf hin, dass Lydia Stolowitzky niemals Kinder bekommen würde.

Doch Lydia gab nicht auf. Nachdem die besten Ärzte Warschaus ihren Kinderwunsch nicht erfüllen konnten, suchte sie Rat bei namhaften Spezialisten in Zürich und Wien. Die Behandlungen waren unangenehm und langwierig. Oft waren längere Aufenthalte in Privatkliniken fern von zu Hause nötig, doch sie ließ nichts unversucht, und Jacob unterstützte sie darin in jeder Hinsicht. „Geld spielt keine Rolle“, pflegte er zu sagen. „Für ein eigenes Kind ist uns kein Preis zu hoch.“

Trotz der erheblichen Summen, die sie als Honorare abrechneten, konnten auch die ausländischen Spezialisten nicht helfen. Aber Lydia wollte ihre Hoffnung noch nicht begraben. Da ihr die Medizin offensichtlich nicht weiterhelfen konnte, suchte sie Rat bei Rabbinern, Wunderheilern und Wahrsagern, spendete Geld für wohltätige Zwecke und füllte das Haus mit Amuletten gegen den bösen Blick.

Als auch dies nicht zum gewünschten Erfolg führte, verfiel sie in eine schwere Depression. Ihr Hausarzt verschrieb ihr Beruhigungsmittel. Ihr Mann machte mit ihr eine Donaukreuzfahrt und fuhr mit ihr nach Paris zum Kleiderkauf bei berühmten französischen Modeschöpfern. Doch nichts half, Lydias seelisches Gleichgewicht wiederherzustellen. Sie sprach kaum noch, war bleich wie ein Gespenst und hatte an nichts mehr Interesse. Mehrfach hegte sie Selbstmordgedanken. Ohne ein eigenes Kind, das wusste sie, war ihr Leben leer und sinnlos. Freunde redeten ihnen zu, über eine Adoption nachzudenken, und Jacob hätte sich sogar mit dem Gedanken anfreunden können. Doch für Lydia kam so etwas nicht in Frage. Sie wollte ein leibliches Kind.

Umso größer war – nach zehn langen Jahren der Unfruchtbarkeit – bei Lydia und den Ärzten die Überraschung, als sie eines Tages feststellte, dass sie schwanger war. Von dem Augenblick an war Lydia wie verwandelt. Ihre Augen begannen wieder zu leuchten, ihr ganzes Gesicht strahlte, ihr Gang war aufrecht und beschwingt, und in das herrschaftliche Haus am Fluss war das Lachen zurückgekehrt. Eine Krankenschwester wurde eingestellt, die während Lydias gesamter Schwangerschaft Tag und Nacht für sie da war. Der Arzt kam täglich, um sie zu untersuchen.

Lydia und Jacob Stolowitzkys Tochter wurde zu Hause geboren, in einer rauen Winternacht. Sie lebte nur wenige Tage. Nach ihrem Tod war das Ehepaar fest entschlossen, es noch einmal zu versuchen, und begab sich erneut in Behandlung. Dann, Mitte Februar 1936, wurde ihnen ein Sohn geschenkt. Die Geburt verlief ohne Komplikationen und war leichter, als Lydia zu hoffen gewagt hatte. Sie war so glücklich wie nie zuvor im Leben.

Sie nannten den Jungen Michael, nach dem Engel Gottes, der das Böse besiegte, als Sinnbild der göttlichen Gnade.