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Volker Kessler

Kritisieren
ohne zu verletzen

Lernen von den Sprüchen Salomos

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Band 11 der Edition AcF
Die Edition AcF wird herausgegeben
von der Akademie für christliche Führungskräfte,
Furtwänglerstr. 10, 51643 Gummersbach,
www.acf.de

Inhalt

1. „Eisen wird an Eisen geschliffen“

2. „Damit du für die Zukunft weise wirst“

Was wollen die Sprüche und wer ist Salomo

„Der Weise aber hört auf Rat“

„Wer in seinen eigenen Augen weise ist“

3. „Worte verletzen wie Messerstiche“

Je nach Persönlichkeit

Ratschläge für schlechte Kritisierer

4. Vom falschen Schweigen

„Verborgen gehaltene Liebe“

Der harte und der weiche Weg

5. Vom richtigen Schweigen

„Rüge nicht den Spötter“

„Ein Streit, der einen nichts angeht“

„Hör nicht auf das Geschwätz der Leute“

6. Vom weisen Kritisieren

„Besser offene Rüge“

„Ein rechtes Wort zur rechten Zeit“

„Wo viele Worte sind, da geht’s ohne Sünde nicht ab“

„Eine sanfte Antwort dämpft die Erregung“

„Langsam zum Reden“

Das geWIEHfte Feedback

Kritik mit Maßstab

7. „Besser das Ende einer Sache als ihr Anfang“

„Tod und Leben sind in der Macht der Zunge“

Ratschläge für gute Kritisierer

Literaturverzeichnis

Bibelstellenverzeichnis

Anmerkungen

Dank

Abbildungen

Abbildung 1: Sprüche und Psalmen

Abbildung 2: Die Schweigespirale

Abbildung 3: Selbsteinschätzung: hart oder weich?

Abbildung 4: Dreierschritt

Abbildung 5: Formular für geWIEHftes Feedback

Tabellen

Tabelle 1: Scheinbare Gefühlsworte

Tabelle 2: Reine Gefühlsworte bei unangenehmen Gefühlen

Tabelle 3: Reine Gefühlsworte bei angenehmen Gefühlen

1. „Eisen wird an Eisen geschliffen“

Eisen wird an Eisen geschliffen,

so schleift einer den Charakter des anderen.

Sprüche 27,17 (EÜ)1

Seit Jahren treffe ich mich zweimal jährlich mit drei anderen Männern zu einem Co-Mentoring. Wir verbringen zwei Tage miteinander, um uns gegenseitig zu schleifen. Wir reden über das, was wir gerade tun, und wo gerade Entscheidungen oder Probleme anstehen. Dabei ist uns wichtig: Wir stehen grundsätzlich zueinander und haben die Offenheit, Handlungen des anderen zu hinterfragen. Manche Gespräche gehen unter die Haut, sie sind aber enorm hilfreich. Und wir machen das alles freiwillig!

Der obige Spruch lehrt uns: Wir brauchen einander zur Charakterbildung. An manchen unserer Ecken und Kanten muss geschliffen werden, ohne dass die Persönlichkeit irgendwann unscharf oder profillos wird. Zur Persönlichkeitsbildung gehört natürlich auch gegenseitige Kritik – das kann manchmal hart sein. Doch als Trost gilt:

Wer einen anderen zurechtweist, findet schließlich Dank, mehr als der Schmeichler.

Sprüche 28,23 (EÜ)

Der weise Salomo spricht hier sicherlich von einem wohlmeinenden Mahner, der den Mut hat, eine zunächst bittere Botschaft zu sagen. Er findet letztlich mehr Anerkennung als der Schmeichler. Man beachte hier das Wort „schließlich/letztlich“. Denn die wenigsten Menschen reagieren bei Kritik begeistert. Zwar stimmen prinzipiell wohl die meisten Leute der Aussage zu, dass Kritik eine Chance zur persönlichen Weiterentwicklung ist. Aber im konkreten Fall sind wir nicht immer so sicher. Doch laut Salomo ist gegenseitige Kritik notwendig, um uns weiter zu entwickeln. Aber wie machen wir es praktisch?

Das vorliegende Buch gibt einige Tipps, wie man es machen könnte und wie man es auf keinen Fall machen sollte. Dabei lassen wir uns von Sprichwörtern aus dem Alten Testament leiten und inspirieren. Denn viel angeblich „neue“ Erkenntnis der modernen Kommunikationswissenschaft findet man schon in dem alttestamentlichen Buch der Sprüche Salomos. Diese Sammlung enthält Weisheitssprüche, die zum Teil über dreitausend Jahre alt sind.

Da die Sprüche sich mit dem Alltag des menschlichen Lebens beschäftigen, thematisieren sie auch Kommunikationsprobleme. Die Sprüche Salomos sind Teil der Heiligen Schriften bei Juden und Christen und damit Bestandteil unseres abendländisch, jüdisch-christlichen Kulturerbes. Sie greifen auch Lebensweisheiten aus den damaligen Nachbarvölkern auf, wie zum Beispiel aus der ägyptischen Weisheit. Die Sprüche haben also ein internationales Flair.

Das vorliegende Buch ist vor allem für Kommunikation in der westlichen Kultur geschrieben. Kommunikation ist immer kulturabhängig. Wer sich in einer anderen Kultur bewegt, möge prüfen, welche der in diesem Buch vorgestellten Tipps auch dort sinnvoll sind.

„Des vielen Büchermachens ist kein Ende“, schreibt der Prediger (12,12). Wozu also noch dieses? Nach Lektüre dieses Buches:

1. haben Sie die Basis, um zu kritisieren ohne zu verletzen,

2. wissen Sie, wo Sie besser schweigen sollten und wo nicht,

3. haben Sie erstaunliche Gemeinsamkeiten zwischen moderner Kommunikationspsychologie und biblischer Weisheitslehre entdeckt.

4. haben Sie vielleicht Lust, im Buch der Sprüche selbst auf Entdeckungsreise zu gehen, um dort noch viel mehr über Kommunikation zu lernen.

Gummersbach, im Juni 2005

Volker Kessler*

* erreichbar unter Volker.Kessler@acf.de

2. „Damit du für die Zukunft weise wirst“

Was wollen die Sprüche und wer ist Salomo?

Die Sprüche Salomos (auch Proverbien genannt) sind Teil der so genannten Weisheitslehre der Bibel. Zur Weisheitsliteratur im Alten Testament werden außerdem die Bücher Prediger, Hiob, einige Psalmen und einzelne Passagen in anderen Büchern gezählt. Die alttestamentliche Weisheitsliteratur beschreibt regelmäßig wiederkehrende Lebenszusammenhänge. Wer um diese Zusammenhänge weiß und sie im Alltag anwendet, der ist im biblischen Sinne weise:

Höre auf guten Rat und nimm Zucht an,

damit du für die Zukunft weise wirst.

Sprüche 19,20 (RE)

Wer Weisheit sucht, wird seinen Weg sicher gehen und nachts ruhig schlafen:

Dann gehst du sicher deinen Weg,

dein Fuß stößt nirgends an.

Wenn du dich hinlegst, wirst du nicht aufschrecken,

und liegst du, erquickt dich dein Schlaf.

Sprüche 3,23.24 (RE)