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Claudia Filker

10½ gute Gründe
... lieber locker
zu bleiben

Zufrieden sein, auch wenn das Leben nicht perfekt ist

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2. Auflage 2011

© 2009 Brunnen Verlag Gießen
www.brunnen-verlag.de
Lektorat: Petra Hahn-Lütjen
Umschlagfoto: Getty Images
Umschlaggestaltung: Sabine Schweda
Satz: DTP Brunnen
ISBN 978-3-7655-4053-0
eISBN 978-3-7655-7155-8

Inhalt

Vorausgeschickt: Kommt es Ihnen bekannt vor?

1. Grund:
Weil ich mit mir selbst barmherzig sein darf

2. Grund:
Weil ich es mir wert bin

3. Grund:
Weil die schlechten Umstände unter Umständen gar nicht das eigentliche Problem sind

4. Grund:
Weil Veränderung eine echt gute Alternative ist

5. Grund:
Weil Loslassen das Leben leichter macht

6. Grund:
Weil Kopfkino meist den falschen Film zeigt

7. Grund:
Weil der Dank die bessere Brille ist, das Leben zu betrachten

8. Grund:
Weil ich mit meinen Nächsten barmherzig sein darf

9. Grund:
Weil Nörgeln Falten macht und anderen schlechte Laune

10. Grund:
Weil nette Menschen nette Menschen treffen

… und noch ein ½ Grund:
Weil der, der etwas wagt, viel gewinnen kann

Vorausgeschickt:

Kommt es Ihnen bekannt vor?

Ich habe manchmal dieses „Jetzt-kann-es-klick-machen“-Gefühl: Jetzt ist es gut in deinem Leben, Claudia. Das Standbild, bitte! Ja, wenn mal alles rundläuft!

Ich stehe morgens gerne auf, freue mich auf den Tag. Das Leben ist leicht, die Familie nett, der Nacken nicht verspannt und selbst die Sonne weiß, dass sie gerade jetzt scheinen soll. Eine Wohligkeit durchflutet Seele und Körper bis in die letzten Fasern und Fußspitzen. Perfekt! Ist das der Vorraum des Paradieses? Ja, vielleicht …

Und dann ist wieder alles ganz anders: Die Sonne scheint, aber leider sind die Fensterscheiben schmutzig! Sie machen einen Waldspaziergang im flirrenden Sonnenlicht, aber in Ihrem Kopf spukt das Gespräch von gestern Abend, und Ihr Ärger wächst und wächst. Morgens im Büro, die neue Kollegin wurde doch so dringend gebraucht, und jetzt sitzt da die junge, spritzige, gut aussehende Frau, und Sie kommen sich auf einmal richtig alt und lahm vor. Unzufriedenheit macht sich breit. Kopfkino vertreibt die gute Laune. Neid und Nörgelei kriechen aus ihrem Versteck.

Pech! Mal wieder in die Falle gestolpert, die man selbst ausgelegt hat! Denn die Sonne scheint immer noch, der Wald tut gut und die neue Kollegin ist wirklich eine echte Hilfe. Warum nur schaffen wir es, uns selbst so vieles „kaputtzudenken“, schlechtzureden?

Einfach nicht gut drauf sein, meckern, nörgeln, weil es hier und da nicht passt und wir es uns selbst auch nicht recht machen können – Hand aufs Herz, das kennen Sie doch, oder?

Auf den nächsten Seiten geht es um dieses weit verbreitete Gefühl der Unzufriedenheit, das sich wie ein enges Korsett um die Seele vieler Menschen legen kann.

Sind wir der unzufriedenen Nörgelstimmung einfach ausgeliefert? – Nein, sind wir nicht! Und ich will zeigen, dass und wie wir öfter eingreifen können, als wir denken!

Damit kein Missverständnis entsteht: Die oben beschriebene Leichtigkeit gibt es, ja, die gibt es tatsächlich – aber sie ist uns wirklich nur für besondere Momente des Lebens verheißen. Ein kleiner Blick in den Vorraum des Paradieses, kleine Momente erhaschter Glückseligkeit. Und rums! – die Tür ist wieder zu. Das ist die Realität. Alles andere ist Film-, Roman- oder sonst ein Traum.

Misstrauen Sie also denen, die Ihnen das Paradies versprechen! Und lassen Sie sich nicht einwickeln von denen, die sagen und schreiben, dass man mit der richtigen positiven Einstellung ganz wacker einfach immer allen Widrigkeiten des Lebens trotzt, leicht durchs Leben geht und dabei noch erfolgreich ist.

Und doch – es geht eben doch häufig eine ganze Portion leichter, gelassener – einfach lockerer! Oder sagen wir besser: un-beschwerter.

Und darum soll’s hier gehen.

Wir reisen oft so schwer bepackt durch unser Leben. Unnötig schwer bepackt. Wir sind mit Gepäckstücken beladen, die uns den Gang erschweren. Sicher, da gibt es die großen Themen wie Schuld, Verletzungen, eine schwierige Kindheit, schwere Schicksalsschläge – die haben Gewicht. Um diese schweren Gepäckstücke soll und kann es aber auf den nächsten Seiten nicht gehen.

Die kleinen Alltäglichkeiten sind’s, die sich allzu oft zu großen Lasten anhäufen – ganz schnell und eben ganz unnötig. Und das lässt sich vermeiden!

Ich lade Sie ein, sich auf den kommenden Seiten einige dieser kleineren Gepäckstücke anzuschauen, die aber in der Summe auch eine ganz schöne Last zusammenbringen.

Locker bleiben, locker lassen – das heißt ablegen, was wir immer wieder ablegen können: Undankbarkeit, Missstimmungen, eingefahrene Wegstrecken, Verbissenheit, falsche Erwartungen, ungutes Kopfkino …

Ich will Ihnen zeigen, wie’s praktisch geht.

Wir tappen so häufig in eine Denkfalle: Wenn die Umstände anders wären, mein Mann liebevoller, der Chef freundlicher, die Kinder fleißiger, ich ein paar Pfund schlanker, du ein bisschen ordentlicher, meine Freundin zuverlässiger – ja, dann, dann wäre ich zufrieden. – Irrtum! Die Quelle des Glücks und der Zufriedenheit liegt viel weniger, als wir annehmen, in den Umständen des Lebens, sondern viel häufiger in uns selbst, in unserem Denken.

Ich möchte mit Ihnen auf den nächsten Seiten dem Seelengift „Unzufriedenheit“ nachspüren. Wie entsteht Unzufriedenheit, wie können wir sie bei uns entdecken und ihr immer wieder tapfer ein „Stopp!“ entgegenwerfen? Ertränken können wir sie nicht, sie kann nämlich ziemlich gut schwimmen.

Zehn Gründe, der Unzufriedenheit die rote Karte zu zeigen, halte ich für Sie bereit (und es gibt noch viel mehr)!

Ich möchte Ihnen damit Anregungen geben, Ihren größten Fallen auf die Schliche zu kommen. Es sind Appetithappen. Weiter machen müssen Sie schon selbst! Und denken Sie dran: „Das große Glück ist oft keine große Sache. Meistens sind es die kleinen Dinge, die den großen Unterschied machen.“

Wie war das doch gleich mit dem leichteren Gepäck? Die Besucher im Kloster bestaunen die Architektur und die Kapelle, den Kräutergarten und die Bibliothek. Dann schauen sie in eine Klosterzelle: ein Bett, ein Tisch, ein Regal. „Wo haben Sie denn Ihre Sachen?“, fragen die Besucher den Mönch.

Er fragt sie zurück: „Wo haben Sie denn Ihre Sachen?“

Die Besucher lachen: „Nun, wir sind doch nur auf der Durchreise.“

Darauf der Mönch: „Ich auch.“

1. Grund:
Weil ich mit mir selbst
barmherzig sein darf

Warum wir selbst oft unsere
schärfsten Kritikerinnen sind

Kommt es Ihnen bekannt vor?

Annette wird nächsten Monat 50 Jahre alt. Zum Feiern ist ihr nicht zumute: „Irgendwie ist mein Leben so anders verlaufen, als ich es mir vorgestellt habe. Ich wollte eine große Familie, einen netten Mann, mit dem ich gemeinsam alt werde, und ein Häuschen im Grünen. Klingt blöd. Ist aber so.“

Annette hatte einen Mann. Aber jetzt ist er ihr Exmann. Bei ihm wohnen auch die beiden fast erwachsenen Söhne. Ihr Häuschen im Grünen ist zu einer Zweizimmerwohnung mit Blumenkasten geschrumpft. Ihre Lebensbilanz hält ihrem eigenen kritischen Blick nicht stand.

Birgit hat sich sehr auf die Tagung gefreut. Ein Wochenende ganz für sich allein, das hatte sie schon lange nicht mehr. Andere Frauen kennenlernen, interessante Vorträge hören, Austausch in den Workshops … Alles verlief wie im Prospekt versprochen, sogar das Essen war vollwertig – und doch ist Birgits Stimmung am Sonntag im Zug nach Hause so seltsam gedämpft. Diese tollen Frauen! Die einen konnten reden wie gedruckt, während Birgit ihre Sätze dreimal im Kopf hin und her wendete. Und dann diese Übereifrigen, die schon morgens vor dem Frühstück eine Stunde um den Haussee gejoggt sind. Aber am ärgerlichsten war diese eine Referentin. Irgendwie erinnerte sie Birgit an Deutschlands Familienministerin, die mit den sieben Kindern und dem ewigen Lächeln. Schrecklich, wie solche Frauen alles unter einen Hut kriegen! „Wieso schaff ich nicht mehr?!“

Andrea, Mitte fünfzig, ist und hat das, um das sie andere beneiden: Sie leitet eine gut laufende Augenarztpraxis, ihr Mann ist Professor, ihre beiden Kinder haben ihr Studium nicht nur begonnen, sondern auch abgeschlossen. Von ihrem Immobilienbesitz wollen wir erst gar nicht sprechen. Andrea – eine wirklich erfolgreiche Frau. Jedenfalls nach menschlichen Maßstäben betrachtet. Oder sollten wir besser sagen: nach gesellschaftlichen Maßstäben? Denn sie sind oft alles andere als menschlich!

Vielleicht ist Andrea deshalb nicht zufrieden? Und locker schon gar nicht: „Mein ganzes Leben habe ich das Gefühl, das zu tun, was andere von mir erwarten. So oft frage ich mich: „Wer bin ich eigentlich?“

Zufrieden sein, auch wenn im Leben nicht alles glattgeht? Zufrieden sein, auch wenn man nach rechts und links guckt und wieder das Stehaufmännchengefühl in einem hochkriecht „Ich kann eh nicht mithalten“? – Wie funktioniert das denn? Man kann doch nicht raus aus seiner Haut!

Dass nicht alles glattläuft, sieht man spätestens ab vierzig jeden Morgen im unbeschlagenen Spiegel – einfach nicht mehr zu leugnen, die Falten. Ein feiner Wink der Natur: „Meine Liebe, Falten und Mängel kriegst du gratis obendrauf!“ Das Leben hinterlässt Spuren. Sichtbare und unsichtbare. Die unsichtbaren Falten unseres Lebens trägt unsere Seele.

Viele Menschen wollen der Natur ein Schnippchen schlagen und lassen sich in ihre Gesichtsfalten das Nervengift Botox spritzen. Ein „Fast-Food“-Lifting. Mit einigen Nebenwirkungen allerdings: Eine Studie weist nach, dass Menschen, die sich mit dem Nervengift Botox behandeln lassen, kaum noch Empathie zum Ausdruck bringen können. Der künstlich geglätteten Haut ist die Muskelkraft genommen, sie kann deshalb wenig Mitgefühl zeigen.

Wer die „Holperer“ und „Stolperer“, die Ecken und Kanten seines Lebens am liebsten glattbügeln möchte, macht sich selbst etwas vor. Der „Botox-Trick“ funktioniert also nicht nur nicht, sondern stört auch das Mitgefühl sich selbst gegenüber erheblich.

So wie man irgendwann mit der Antifaltencreme liebevoll die Falten streichelt, sich pflegt – sie aber nicht mehr wirklich zu überlisten sucht, so brauchen wir den barmherzigen Blick auf die Falten der Seele, die Ecken und Kanten des Lebens.

Eines hilft entscheidend: Entdecken Sie zuerst einmal genau die Sätze, mit denen die Unbarmherzigkeit durch die Hintertür Eintritt in Ihr Leben bekommt (und richtig miese Stimmung verbreitet!). Sind es diese … oder andere?

• „Ach, es ist so viel in meinem Leben verkehrt gelaufen.“

• „Könnt ich noch mal von vorn anfangen, ich würde vieles anders machen.“

• „Ich möchte es doch so gern gut machen.“

• „Ich will es doch nur recht machen.“

• „Mir ist so wichtig, was andere über mich denken.“

• „Ich will einfach gut ankommen!“

• „Ich habe immer das Gefühl, kämpfen zu müssen.“

Merken Sie: Wir können es uns selbst oft nicht recht machen. Wir sind manchmal (und manchmal immer öfter) selbst unsere schärfsten Kritikerinnen.

Schade. Denn es geht auch anders!

Entwicklungsmöglichkeiten

1. Werden Sie Ihre eigene Freundin

Probieren Sie den liebevollen Spiegelblick aus! Im Spiegel sehen Sie sich selbst – und Sie sind es wert, von sich selbst liebevoll angelächelt zu werden. „Ach, wenn das so einfach wäre!“, denken Sie jetzt vielleicht. Stimmt, wir sind oft „unzufrieden“, weil wir mit uns nicht im Frieden sind. Wir können es uns selbst nicht recht machen. Das hat doch gute Gründe, oder? Ja, denn das Bild, das man dort im (inneren) Spiegel sieht, ist eben nicht das Bild, das man sehen möchte. Es passt nicht. Es passt nicht zu dem Bild, das man von sich selbst gemacht hat. Dieses selbst gemachte Bild ist gemalt mit den schillernd bunten Farben der vielen Erwartungen, die man an sich selbst richtet.

Es ist gemalt mit den Festschreibungen unserer Kindheit („Wer was will, kriegt was auf die Brill’“, „Sei ein liebes Kind“, „Du mit deinen zwei linken Händen“, „Kannst du nicht endlich mal ruhig sitzen!“, „Meinst du wirklich, dass du das schaffst!?“), gemischt mit den kräftigen Farben der Ideale, die wir im Laufe unseres Lebens verinnerlichen und denen wir Energien, Gedanken, Gefühle schulden („Das schafft frau doch locker“, „Meinem Vater zeig ich es aber!“).

In einem Interview antwortete ein Psychotherapeut auf die Frage: „Warum kann ich mir oft selbst nicht verzeihen?“ – „Weil ich ein falsches Bild von mir habe.“ Deshalb diese Härte gegen sich selbst! Und Achtung: leider auch gegen andere. Menschen fühlen sich als Versager, minderwertig, vielleicht sogar als Aufschneider, weil sie die Diskrepanz zwischen ihrer Außendarstellung und der eigenen Innenwahrnehmung spüren.

Kennen Sie Ihr inneres Bild, Ihre Festlegungen, Glaubenssätze?

Vielleicht klingen sie so oder ähnlich:

• „Die anderen haben mir oft so viel voraus.“

• „Ich bin nett und die anderen sollen mich nett finden.“