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Jan Vermeer

Von Menschen verstoßen – bei Jesus geborgen

Begegnungen mit verfolgten Christen in Indien

Brunnen Verlag/Open Doors

Die englischsprachige Originalausgabe erschien unter dem Titel
„Only a Broken Heart Can Heal a Broken World“ bei Open Doors
International, Santa Ana/Kalifornien.
© 2019 by Open Doors International

Deutsch von Ulrike Brandhorst

Die Bibelzitate sind, wenn nicht anders angegeben, der Übersetzung
Hoffnung für alle®, Copyright © 1983, 1996, 2002 by Biblica Inc.™ und
dem Bibeltext der Schlachter, Copyright © 2000 Genfer Bibelgesellschaft
entnommen. Verwendet mit freundlicher Genehmigung.
Alle weiteren Rechte weltweit vorbehalten.

© 2020 Brunnen Verlag GmbH Gießen
Lektorat: Carolin Kotthaus
Umschlagfoto: Open Doors International
Umschlaggestaltung: Jonathan Maul
ISBN E-Book 978-3-7655-7561-7
www.brunnen-verlag.de

Inhalt

Wie dieses Buch zu lesen ist

Kapitel 1

Bewirken wir etwas?

Kapitel 2

Ihre Gebete geben Kraft zum Singen

Kapitel 3

In Ihnen können andere Jesus sehen

Kapitel 4

Warum lässt Gott Leid zu?

Kapitel 5

Gott prüft uns durch Verfolgung

Kapitel 6

Ohne Vorbereitung bestehen wir keine Prüfungen

Kapitel 7

Gott kann auch die wieder aufrichten, die ihn verleugnet haben

Kapitel 8

Nicht die Zeit heilt alle Wunden – sondern Heilung braucht Zeit

Kapitel 9

Verbringe Zeit mit Gott und kehre mit froher Botschaft wieder zurück

Kapitel 10

Sie sind wichtiger, als Sie denken

Kapitel 11

Wenn Sie verfolgt werden, ziehen Sie sich zurück (um zu beten)

Kapitel 12

Nur ein zerbrochenes Herz kann eine zerbrochene Welt heilen

Der Dienst von Open Doors

Wie dieses Buch zu lesen ist

Dieses Buch kann auf zwei Arten gelesen werden: entweder wie jedes andere Buch auch, indem man vom Anfang bis zum Ende in die Geschichten eintaucht und sich von ihnen inspirieren lässt – oder aber auf eine zweite Art, die mehr Mühe erfordert, am Ende jedoch mehr Gewinn bringt: Nach jedem Kapitel (außer dem ersten, das eher eine Einführung ist) gibt es einen Abschnitt mit dem Titel „Zum Weiterdenken“. Darin werde ich Sie mithilfe von sieben – oft herausfordernden – Fragen tiefer in die geistliche Bedeutung dessen einführen, was Sie gerade gelesen haben.

Ich bete zu Gott, dass er durch dieses Buch zu Ihnen spricht, und danke Ihnen im Namen der verfolgten Christen in Indien dafür, dass Sie es lesen. Sie werden feststellen, dass Ihre Gebete und Ihre Unterstützung diesen Menschen viel bedeuten.

Jan Vermeer

Kapitel 1

Bewirken wir etwas?

Die Dunkelheit, die über das Dorf in Zentralindien hereingebrochen war, würde den Mann vor Kusums Fenster nicht aufhalten. Die junge Witwe sah hinaus und erkannte ihren Schwiegervater, der dort draußen stand und eine Axt in der Hand schwang. „Es ist deine Schuld, dass mein Sohn tot ist! Du hast ihn getötet! Du und dein giftiger Glaube! Komm raus! Ich werde dich in Stücke schlagen!“

Kusum kauerte sich in eine Zimmerecke und wartete darauf, dass der Herr eingreifen oder sie zu sich holen würde. Kusum ist kaum 1,50 Meter groß, doch ihre Geschichte klingt wie der schrecklichste Albtraum.

Mein Name ist Jan Vermeer und ich berichte aus den unterschiedlichsten Ländern an Open Doors. Meine Reisen haben mich nach Afrika, in den Nahen Osten und nach Asien geführt, wo ich mit verfolgten Christen sprach. Millionen von Menschen haben aufgrund meiner Berichte für diese Christen gebetet und gespendet.

Das heißt nicht, dass ich besonders wichtig bin. Gott hat auch viele andere mit dieser Aufgabe betraut. Ich verdiene es nicht, auf die gleiche Stufe gestellt zu werden wie die Menschen, von denen dieses Buch erzählt. Es gibt keinen Grund, zu mir aufzuschauen. Ich bin wie Sie: Ich lebe in einem relativ freien Land, wo mich keiner bedroht, wenn ich zur Kirche gehe. Die Polizei konfisziert nicht meine Bibel oder meine christlichen Bücher, und ich werde nicht von Extremisten verfolgt.

Dennoch hat Gott mich in seiner Weisheit mit der Aufgabe betraut, die Geschichten der verfolgten Christen aufzuschreiben. Und das nicht etwa, weil ich so gut bin und er mich braucht, und sicherlich nicht, weil ich so mutig wäre. Der Grund liegt darin, dass Gott weiß, dass mein Glauben oft schwach ist. Ich brauche die Inspiration und das Vorbild meiner verfolgten Brüder und Schwestern.

Manchmal fehlen mir aber einfach die Worte. Während ich mit Kusum sprach, betete ich die ganze Zeit über still: Was kann ich ihr sagen, um ihr Mut zu machen? Wofür soll ich beten? Was kann ich schon bewirken?

Natürlich: Ich würde dank der Fähigkeiten, die Gott mir geschenkt hat, ihre Geschichte aufschreiben. Und ich war mir auch sicher, dass viele Brüder und Schwestern für sie beten würden.

Nach unserem Gespräch betete ich ebenfalls mit ihr zusammen. Es fühlte sich wie ein inspiriertes Gebet an (auch wenn ich mich nicht mehr daran erinnern kann, wofür ich betete) und Kusum sagte nach jedem Satz, der ihr übersetzt wurde, „Amen“ – aber dennoch hatte ich das Gefühl, dass ich nicht viel für sie getan hatte.

Die Sprachbarriere frustrierte mich und ich versuchte sie aufzumuntern, indem ich ihr Bilder auf meinem Smartphone zeigte. Bilder von meinen Kindern – wo sie doch ihren Sohn erst einen Monat zuvor verloren hatte … Was hatte ich mir nur dabei gedacht?

Ich verließ Kusum und ihre Freundin und kehrte zurück in mein Land. Dort mochten die Leute mich vielleicht wegen meines Christseins verlachen, doch sie würden niemals Gewalt gegen mich anwenden. Und wenn es doch jemand tun würde, könnte ich dafür sorgen, dass er ins Gefängnis käme.

Kusum dagegen kehrte zurück in ihr Dorf, in dem sie verachtet wurde und wo jeder sie töten konnte, ohne eine ernsthafte Strafe befürchten zu müssen.

Ehrlich gesagt: Sie lebte das Leben, vor dem ich mich fürchtete. Ein Leben, in dem dich keiner will. Ein Leben, in dem die Menschen, die dir am nächsten stehen, sterben. Ein Leben ohne Zukunft. Mein Bedürfnis, ihr zu helfen, war so groß, dass ich fast wünschte, eines meiner Kinder wäre gestorben (auch wenn ich mich wegen dieses Gedankens fürchterlich schuldig fühlte), nur damit ich ihr sagen konnte, dass ich ihren Schmerz nachempfinden kann.

Aber mir blieb nichts anderes übrig. Ich kehrte nach Hause zurück und tat, was ich tun musste. Ich erzählte im Gespräch mit Freunden und Verwandten und bei den Gebetsversammlungen in der Kirche von Kusum.

Wir beteten.

Ich schrieb ihre Geschichte auf, genau so, wie ich es ihr versprochen hatte, und wir nutzten die Geschichte dazu, um Geld für Kusum und andere Christen in Indien zu sammeln.

Wir spendeten.

Wir hatten unsere Pflicht erfüllt. Ich hatte meine Pflicht erfüllt – jetzt hieß es weiterziehen und mein Leben weiterleben, oder?

Vor einiger Zeit brauchte ich ein Foto von Kusum für einen Arbeitsvortrag. Der schnellste Weg, es zu bekommen, war, ihren Namen zu googeln. Unter den Suchergebnissen fiel mir ein gezeichnetes Porträt von ihr auf, das auf Pinterest veröffentlicht worden war. Das machte mich neugierig. Ich konnte mich nicht daran erinnern, dass wir von Open Doors eine Zeichnung von Kusums Porträtfoto hatten anfertigen lassen.

Ich forschte nach und fand heraus, dass die Zeichnung von einer niederländischen Künstlerin stammte, die ich daraufhin kontaktierte.

„Was für eine unglaubliche Ermutigung, dass sie meine Zeichnung ‚zufällig‘ gefunden haben“, sagte sie. „Aufgrund mehrerer Krankheiten bin ich arbeitsunfähig. Ich habe mehr und mehr gelernt, mich kreativ auszudrücken, und erlebe, dass Gott meine Arbeit dazu nutzt, um mich mit anderen in Verbindung zu bringen. Ich bin überzeugt davon, dass Gott mich und meine Fähigkeiten für sein Reich nutzen will.“

Ihr Herz schlägt für verfolgte Christen. „Manchmal zeichne ich Bilder von Menschen, die in den Open-Doors-Magazinen erscheinen. Das ist, wie gesagt, eine Art, meinen Gefühlen Ausdruck zu verleihen. Gleichzeitig belastet es mich aber auch. Ich hatte in meinem eigenen Leben sehr viel Unsicherheit und Angst, daher kann es sehr belastend sein, wenn ich mit dem Leid anderer Menschen konfrontiert werde. Wenn ich zu intensiv über die verfolgten Christen nachdenke, lähmt mich das. Aber wenn ich mich auf Gott konzentriere, dann bringt mich das ihm näher.“

„Was sehen Sie denn, wenn Sie sich Kusums Bild ansehen?“, fragte ich.

„Eine großartige Frau. Man kann den Schmerz auf ihrem Gesicht sehen, aber ihre ganze Haltung drückt Vertrauen aus. Ich kenne Schmerz und Gebrochenheit ja aus meinem eigenen Leben und ich versuche dieses Vertrauen zu erlernen, das Kusum besitzt.“

Kurz nach dieser Unterhaltung kehrte ich nach Indien zurück. Ich hatte extra darum gebeten, wieder mit Kusum sprechen zu dürfen, denn ich wollte wissen, wie es ihr ginge. Ich hoffte sehr, dass sie sich an mich erinnern würde. Ich wollte wissen, ob unser erstes Treffen ihr in irgendeiner Weise etwas gebracht hatte – ob unsere Gebete und Spenden etwas bewirkt hatten.

Als sie den kleinen Raum betrat, in dem wir warteten, schien alles darin aufzuleuchten. Kusums Augen glänzten vor Freude und ihr Lächeln verzauberte die Anwesenden. Alles an der in kräftigem Rot gekleideten Frau schien einfach zu … strahlen!

Ich fragte sie, wie es ihr ergangen sei. Lächelnd antwortete sie: „Es geht mir sehr gut. Ich freue mich so, dich wiederzusehen. Die zwei Jahre, die seit unserem letzten Treffen vergangen sind, waren sehr gut. Zwar stellt sich meine Schwiegerfamilie weiterhin gegen mich und bedroht mich. Aber das macht mich nicht traurig oder niedergeschlagen. Immer wenn ich verfolgt werde, bete ich. Das Gebet macht mich stark und ich weiß, dass auch andere für mich beten.“

Diese sieben Sätze ließen alle meine Zweifel verfliegen.

In der folgenden Stunde berichtete sie, dass ihr Schwiegervater sie weiterhin bedrohe, ihr aber kein körperliches Leid zufüge. Sie hatte Arbeit gefunden und Arbeit verloren. Die Menschen beschimpften sie. Aber immer wenn sie das zu sehr belastete, ging sie aus dem Dorf hinaus, suchte sich einen ruhigen Ort und betete einfach.

Kusum ist Analphabetin und kann die Bibel nicht lesen, doch Gott spricht dennoch zu ihr. „Er sagt mir immer, dass er sich um mich kümmert. Er sorgt für mich und heilt mich von meinen Krankheiten. Alle Menschen im Dorf beneiden mich: Sie dachten nämlich, ich würde eine arme, unglückliche Witwe werden, aber ich bin reich und glücklich in Gott. Dafür brauche ich kein Geld.“

„Was hat dich außer deinen Gebeten ermutigt und deinen Glauben am Leben gehalten?“, fragte ich staunend.

Sie lächelte. „Eure Helfer. Immer wenn ich in großer Not war, hat Gott mir durch sie geholfen. Als ich nichts zu essen hatte, schickte er mir einen Partner von Open Doors mit Lebensmitteln. Mein Herz ist voller Dankbarkeit. – Ihr wart da, als ich Hilfe brauchte. Ich möchte mich bei euch bedanken – so sehr bedanken!“

Ob sie wohl einen Brief an die Menschen schreiben wollte, die für sie gebetet und sie unterstützt hatten, fragte ich Kusum. „Ich kann weder lesen noch schreiben“, erklärte sie mir erneut.

Doch das war für mich kein Problem. „Würdest du einen Brief diktieren wollen?“

Erfreut nickte sie.

Das ist ihr Brief:

Meine lieben Brüder und Schwestern,

vor zwei Jahren habt ihr einige Vertreter der Kirche zu mir geschickt. Damals stand ich unter Schock. Ich hatte meinen Mann und meinen fünf Jahre alten Sohn verloren. Alles, was mir blieb, waren mein neun Jahre alter Sohn, meine Eltern und ein paar wenige weitere Christen.

Die Leute aus meinem Dorf erlaubten niemandem, mir bei der Beerdigung zu helfen. In der Nacht kam mein Schwiegervater mit einer Axt zu meinem Haus. Er machte mich für den Tod meines Ehemanns und meines Sohnes verantwortlich.

„Du hast sie getötet! Du und dein giftiger Glaube!“

Das Einzige, was ich tun konnte, war, mich in eine Zimmerecke zu kauern, zu beten und abzuwarten, was geschehen würde. Nie würde ich Jesus Christus verraten – das nahm ich mir vor! Und ich hielt mein Versprechen. Ich kann Jesus nicht aufgeben, denn er war so gut zu mir. Er hat für mich gesorgt, als ich in Not war. Er hat mich geheilt, als ich krank war.

Immer wenn ich jetzt bedroht werde, weil ich ihm nachfolge, ziehe ich mich an einen sicheren Ort zurück und bete. Ich kann nicht lesen oder schreiben. Ich habe keine Bibel. Aber ich bete zu meinem Herrn und das gibt mir Zuversicht. Ich weiß, dass ich nicht alleine bin.

Ich weiß das, weil ihr für mich gebetet und mich unterstützt habt. Viele Dorfbewohner beneiden mich. Ich sollte eine arme Witwe sein. Und ich habe tatsächlich nicht viel Geld, es reicht gerade zum Überleben. Dennoch bin ich unermesslich reich, weil ich Jesus kenne und durch Jesus mit euch verbunden bin. Als ich nichts zu essen hatte, habt ihr jemandem von der indischen Kirche geschickt, der mir Lebensmittel brachte.

Ich will euch danken! Dank euch hat mein Glauben diese Schicksalsschläge überstanden.

Viele Segenswünsche aus Indien

Kusum

„Dank euch hat mein Glauben diese Schicksalsschläge überstanden.“ – Nach meinen ersten Besuchen in Indien hatte ich mich gefragt, ob es überhaupt einen Sinn machte, was wir da taten. Zwei Jahre lang hatte mich diese Frage gequält – und die Antwort jetzt war ein deutliches „Ja“. Ja, was wir tun, bewirkt etwas!

Aber das ist nur ein Teil der Dinge, die ich von den verfolgten Christen in Asien gelernt habe.

Dieses Buch ist eine Reise nach Indien – in das Herz der Verfolgung und an das Herz Jesu. Es ist eine reiche Sammlung von 14 geistlichen Lektionen, die ich während meiner Reisen nach Indien entdeckt habe. Von der ersten haben Sie gerade in diesem Kapitel gelesen.

Im weiteren Verlauf dieses Buches werden Sie noch mehr aus Kusums Leben erfahren, aber ich werde Ihnen auch andere verfolgte Christen vorstellen.

Sie werden etwas über Vipur erfahren, der um Haaresbreite einen Mordversuch überlebt hat und manchmal den Angreifer mitten auf dem Markt trifft, weil die Polizei sich weigert, ihn festzunehmen.

Sie werden an meinem Gespräch mit der 19-jährigen Reena teilhaben, die entführt und von Gott auf wundersame Weise von ihrem Trauma geheilt wurde. Heute lehrt sie indische Kinder christliche Werte.

Sie werden Christen kennenlernen, die der Verfolgung widerstanden haben, und Gläubige, die dem Druck nicht standhalten konnten.

Jede Geschichte ist eine Lektion, in der wir etwas über Gott und das Leben lernen können. Am Ende jedes Kapitels lade ich Sie dazu ein, noch etwas mehr in die Tiefe zu gehen, indem Sie über den jeweiligen Bericht und einen passenden Bibelvers nachdenken.

Ich hoffe, dass die Informationen über die verfolgten Christen in Indien Ihr Leben bereichern werden. Vor allem aber bete ich dafür, dass Sie in diesem Buch Jesus begegnen, so wie ich ihm jedes Mal begegne, wenn ich in die Augen eines (verfolgten) Bruders oder einer (verfolgten) Schwester blicke.

Kapitel 2

Ihre Gebete geben Kraft zum Singen

Seit meinem ersten, schon lange Jahre zurückliegenden Besuch in Indien ist Pastor Samuel ein guter Freund von mir. Sein Team wird von Open Doors unterstützt (auf welche Art das geschieht, darf ich aus Sicherheitsgründen nicht offenlegen), und er leitet sein Team mit viel Engagement. Er ist bescheiden, glaubt leidenschaftlich an Jesus und verbreitet mutig das Evangelium. Sein großes Herz hat mich nachhaltig beeindruckt. Ich könnte ihm stundenlang zuhören und möchte Ihnen die Worte, mit denen er die Zustände in Indien beschreibt, direkt wiedergeben. Er erklärt, was dort geschieht, was er zu tun versucht, warum unsere Hilfe so bitter nötig ist und um welchen Einsatz es geht. Dabei macht er sich auch Gedanken zu Habakuks Gebet: „Herr, wie lange?“

Doch dies soll als Einleitung reichen. Doch lassen wir Pastor Samuel selbst berichten: „Ich befand mich in einem kleinen Krankenzimmer eines Hospitals, zusammen mit einer trauernden Familie. Im Bett lag ein junger Teenager. Sie war missbraucht worden, weil sie und ihre Eltern Christen sind. Meine Gedanken kreisten wild durcheinander. Ich wollte sagen, dass alles besser werden würde, dass sie das überstehen würden und dass Gott ein liebender Gott sei … Aber jedes Wort, das ich sagte, schien einfach im Nichts zu verhallen.

‚Sie spricht nicht mehr‘, erklärte ihre Mutter. ‚Dabei hat sie so eine schöne Stimme. Sie hat immer so gerne gesungen.‘

‚Kannst du für uns singen? Für Jesus vielleicht?‘, bat ich das Mädchen. Doch es wandte seinen Kopf ab.

Heute früh erhielt ich drei Textnachrichten. Eine davon berichtete von drei Christen, die wegen ihres Glaubens brutal zusammengeschlagen wurden. In der nächsten ging es um zwei Pastoren, die ins Krankenhaus gebracht werden mussten, nachdem sie von hinduistischen Fundamentalisten gefoltert worden waren. Einer von ihnen befand sich in kritischem Zustand. Die dritte Textnachricht handelte von einem körperlich eingeschränkten Pastor, der von einem über hundert Personen starken Mob angegriffen wurde.

Fast täglich stelle ich mir die Frage: ‚Herr, wie lange? Wie lange wirst du diese Gewalt gegen deine Leute noch zulassen?‘