114365_rgb.jpg

Gary Chapman

Die fünf Sprachen
der Liebe Gottes

Die amerikanische Erstausgabe erschien unter dem Titel

„The Love Languages of God“ bei Moody Press, Chicago; Titel der amerikanischen Ausgabe in späteren Auflagen geändert in: „God Speaks Your Love Language“

© 2002 by the Moody Bible Institute of Chicago.

Übersetzt mit freundlicher Genehmigung

Aus dem Englischen von Bettina Stippich und Antje Gerner

Lektorat: Alexa Länge

Die verwendeten Bibelzitate sind, soweit nicht anders vermerkt, der Lutherbibel in der revidierten Fassung von 1984 entnommen, © 2002 Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart.

Die übrigen Bibelzitate aus: Hoffnung für alle®, Copyright © 1983, 1996, 2002, 2015 by Biblica, Inc.®. Verwendet mit freundlicher Genehmigung des Herausgebers Fontis.

6., leicht überarbeitete und ergänzte Auflage 2019

Die vorherigen Auflagen sind erschienen

unter der ISBN E-Book 978-3-7655-7113-8.

© der deutschen Ausgabe:

Brunnen Verlag GmbH, Gießen 2004

www.brunnen-verlag.de

Umschlagfoto: Shutterstock

Umschlaggestaltung: Jonathan Maul

Satz: Die Feder GmbH, Wetzlar

ISBN E-Book 978-3-7655-7573-0

Für meine Schwester Sandra Lane Benfield,

die Gott inniger liebte als jeder andere Mensch, dem ich bisher begegnet bin.

Diese Liebe ließ sie auch alle Menschen spüren, die ihr begegneten.

Obwohl sie jünger war als ich, erreichte sie die Ziellinie vor mir.

Ich bete darum, dass meine Liebe so sichtbar wird wie ihre.

Inhalt

Dank

Einführung: Eine Liebesbeziehung

1. Die fünf Sprachen der Liebe verstehen

2. Gott spricht die Sprache der Liebe Nr. 1: Anerkennung

3. Gott spricht die Sprache der Liebe Nr. 2: Gemeinsame Zeit

4. Gott spricht die Sprache der Liebe Nr. 3: Geschenke

5. Gott spricht die Sprache der Liebe Nr. 4: Praktische Hilfe

6. Gott spricht die Sprache der Liebe Nr. 5: Körperkontakt

7. Die eigene Liebessprache entdecken

8. Andere „Dialekte“ der Liebe lernen

9. Wenn Gottes Liebe fern scheint

10. Wenn die Liebe siegt

Nachwort

Anmerkungen

Dank

Dieses Buch hätte nicht in der Abgeschiedenheit eines Elfenbeinturms geschrieben werden können. Immer, wenn wir Gottes Liebe erfahren, geschieht das auf persönliche, unmittelbare und unser Leben verändernde Weise. Ich danke den vielen Menschen, die mich ins Innerste ihres Lebens hineingenommen und mir von ihren eigenen Gottesbegegnungen erzählt haben. Ohne ihre persönlichen Erkenntnisse wäre das Buch eine trockene Abhandlung geworden. In den meisten Fällen habe ich andere Namen eingesetzt, doch die Personen leben wirklich, und ich erzähle ihre Geschichte so, wie sie sie mir erzählt haben. Ihnen allen bin ich zutiefst dankbar.

Für die technische Umsetzung durfte ich mich wieder auf Tricia Kube verlassen, die seit über 25 Jahren meine Sekretärin und Assistentin ist. Danke an Stan Campbell für seine Überarbeitungsideen für dieses Buch. Meine Kollegen aus dem Lektorat, der Herstellung und dem Marketing des Northfield Verlags sind für mich zu Freunden geworden. Ich bin so dankbar, sie zu haben.

Meine Frau Karolyn unterstützt mich nun schon seit über vierzig Jahren. In ihren Worten habe ich so oft Gottes Liebe gespürt. Während ich dieses Buch schrieb, starb meine Schwester – ich habe keine anderen Geschwister. Ihr ist dieses Buch gewidmet. Zwölf Stunden später wurde unser erster Enkelsohn geboren. In den widersprüchlichen Gefühlen, die Tod und Geburt auslösten, war meine Frau an meiner Seite. Wahrhaftig, zwei sind stärker als einer!

Ich bete für die Familie meiner Schwester – ihren Mann Reid und ihre Töchter Traci, Jill und Allison –, dass Gottes Liebe, die meine Schwester erfuhr und so gerne weitergab, in ihnen und mir weiterlebt, damit wir so treu im Glauben werden, wie sie es war.

Einführung: Eine Liebesbeziehung

Das erste Gespräch an jenem Tag hatte ich mit Susan. Nachdem sie mir ihre Geschichte erzählt hatte, war ich den Tränen nahe. Ihr Vater hatte Selbstmord begangen, als sie dreizehn war. Ihr Bruder war in Vietnam umgekommen. Vor sechs Monaten hatte ihr Mann sie wegen einer anderen Frau verlassen. Sie lebte nun mit ihren beiden kleinen Kindern bei ihrer Mutter. Im Gegensatz zu mir waren bei Susan keine Tränen zu sehen. Nein, sie sprühte vor Energie, strahlte fast.

Da ich annahm, dass sie ihre Trauer nicht an sich heranließ, sagte ich: „Sicher fühlen Sie sich von Ihrem Mann völlig abgelehnt.“

„Zuerst ja, doch dann erkannte ich mehr und mehr, dass mein Mann nicht vor mir wegläuft. Er läuft vor sich selber weg. Er ist ein sehr unglücklicher Mensch. Ich glaube, dass er dachte, unsere Ehe würde ihn glücklich machen, aber das wissen Sie – nur Gott kann einen Menschen wirklich glücklich machen.“

Ich dachte, dass Susan vielleicht versuchte, ihren Schmerz auf die geistliche Ebene zu verlagern, und sagte: „Sie haben in Ihrem Leben viel durchgemacht: den Tod Ihres Vaters und Ihres Bruders, den Weggang Ihres Mannes. Wie können Sie einen so starken Glauben haben?“

„Aus einem Grund“, erwiderte sie. „Ich weiß, dass Gott mich liebt. Deshalb ist er immer für mich da, was auch passiert.“

„Wie können Sie sich da so sicher sein?“, fragte ich.

„Das ist eine persönliche Sache. Jeden Morgen lege ich den Tag in Gottes Hand und bitte ihn, mich zu leiten. Ich lese einen Abschnitt aus der Bibel und höre darauf, was er mir sagen will. Gott ist mir sehr nahe. Nur auf diese Weise kann ich mein Leben bewältigen.“

Nachmittags hatte ich ein Gespräch mit Regina. Ihre Eltern hatten sich getrennt, als sie zehn Jahre alt war. Nach der Scheidung hatte sie ihren Vater nur noch zweimal gesehen: einmal bei der Abschlussfeier der High School und dann noch einmal bei der Beerdigung ihrer jüngeren Schwester. Ihre Schwester war mit einundzwanzig Jahren bei einem Autounfall ums Leben gekommen. Regina war dreimal verheiratet gewesen und wieder geschieden worden. Die längste Ehe hatte zweieinhalb Jahre gedauert. Jetzt erwog sie, ein viertes Mal zu heiraten. Ihre Mutter hatte sie gebeten, vor diesem Schritt mit mir zu sprechen.

„Ich weiß nicht, ob ich diesen Schritt wirklich tun soll“, gab Regina zu. „Ich will nicht allein alt werden, doch ich habe mit der Ehe noch nicht viel Erfolg gehabt. Ich fühle mich wie eine Versagerin. Meine Mutter erzählt mir immer wieder, dass Gott mich liebt und einen Weg für mein Leben hat. Doch momentan spüre ich Gottes Liebe nicht und ich nehme an, dass ich diesen Weg verfehlt habe. Ich bin mir nicht einmal sicher, dass es einen Gott gibt.“

Diese beiden Frauen hatten bereits so viel Leid erfahren, dass es für mehr als ein Leben reichen müsste. Die eine fühlte sich zutiefst von Gott geliebt, die andere fühlte sich leer. Warum behaupten manche Menschen, Gottes Liebe ganz tief zu spüren, während andere sich so fern von Gott fühlen, dass sie an seiner Existenz zweifeln? Ich glaube, dass die Antwort im Wesen der Liebe liegt. Liebe ist keine Erfahrung, die man allein macht. Zur Liebe gehören immer zwei: ein Liebender und ein Antwortender. Wenn Gott der Liebende ist – warum spüren nicht alle seine Geschöpfe seine Liebe? Vielleicht, weil manche von ihnen an falscher Stelle suchen. Meist wird die Suche nach Gott von der Kultur beeinflusst. Wenn unsere Kultur sagt: „Dies ist der Weg zu Gott“, dann neigen wir dazu, diesen Weg zu verfolgen.

Liebe ist eine Herzenssache, sie betrifft auch die Seele, ist nicht Ritual und Religion. Ich bin überzeugt davon, dass jeder und jede von uns eine „Muttersprache der Liebe“ hat, und wenn wir in dieser „Sprache des Herzens“ auf Gott hören, werden wir seine Liebe in tiefster Weise erfahren. Ich bin zudem davon überzeugt, dass Gott Ihre „Sprache der Liebe“ fließend beherrscht. Vielleicht verstehen wir das am besten, wenn wir betrachten, wie wir Liebe in menschlichen Beziehungen ausdrücken.

Die Sprache der Liebe vernehmen

In anderen Büchern habe ich mich bereits damit beschäftigt, dass uns Liebe manchmal nicht in der richtigen Sprache übermittelt wird. Das Ergebnis meiner psychologischen Untersuchungen ist, dass jeder Mensch eine eigene „Sprache der Liebe“ spricht. Wenn also Eltern nicht die Liebessprache ihres Kindes beherrschen, wird sich das Kind nicht geliebt fühlen, egal wie gut es die Eltern meinen. Der Schlüssel liegt darin, die Liebessprache jedes Kindes zu lernen und regelmäßig zu sprechen. Das gilt auch für die Ehe. Wenn ein Mann nicht die Liebessprache seiner Frau spricht, wird sie sich nicht geliebt fühlen, und ihr Bedürfnis nach Liebe wird unerfüllt bleiben.

In meinem Buch Die fünf Sprachen der Liebe, das nun schon in beinahe fünfzig Sprachen übersetzt ist, geht es darum, Ehepaaren beizubringen, wie sie ihre Liebe einander erfolgreich ausdrücken können. Später schrieb ich mit dem Psychologen Ross Campbell das Buch Die fünf Sprachen der Liebe für Kinder. Dieses Buch hilft Eltern, zu entdecken und zu lernen, wie sie ihren Kindern ihre Liebe noch besser weitergeben können. Mein Buch Die fünf Sprachen der Liebe für Teenager soll Eltern helfen, ihre Liebe den Kindern in den stürmischen Zeiten der Pubertät zu zeigen. (Sie finden dies alles auch in meinem Handbuch Die fünf Sprachen der Liebe für Familien.) Zuletzt habe ich Die fünf Sprachen der Liebe für Singles geschrieben; es soll Alleinstehenden helfen, in all ihren Beziehungen Liebe zu erfahren.

Diese Bücher können denen das nötige Wissen vermitteln, die den tiefen Wunsch haben, noch enger mit ihren Lieben zusammenzuwachsen. Es gibt jedoch nicht wenige Menschen, denen reines Wissen nicht weiterhilft. Das geht uns sicher allen von Zeit zu Zeit so: Wir wissen, was wir tun sollen, sind aber nicht bereit, es zu tun. Ein Ehemann, der mein Konzept der Liebessprachen kennengelernt hatte, gab mir zu verstehen: „Ich sage es Ihnen gleich: Wenn es darum geht, Geschirr zu spülen, den Teppichboden zu saugen oder die Wäsche aufzuhängen, damit sie sich geliebt fühlt, können Sie das vergessen.“ Offensichtlich war sein Problem nicht, dass er nicht genug wusste. Es mangelte ihm an Bereitschaft, seine Frau zu lieben.

Leider sind Menschen, die sich dafür entscheiden, nicht zu lieben, niemals glückliche Menschen. Ihr Mangel an Liebe verletzt nicht nur den anderen, sondern lässt auch ihre eigene Seele verkümmern. Menschen, die sich weigern zu lieben, leben am Rande der Verzweiflung. Ich habe mein Leben lang versucht, Menschen zu helfen, die – nach Oscar Hammersteins Lied Ol’ Man River – „des Lebens müde sind und vor dem Tode Angst haben“. Das Ziel meines Buches ist, Menschen näher zu Gott zu bringen, damit sie seine grenzenlose Liebe erfahren und andere dann auf eine bessere Weise lieben können.

Lieben und geliebt werden

Lieben und geliebt werden – was könnte wichtiger sein? Ich glaube, der Schlüssel, sich für die Liebe zu entscheiden und lieben zu lernen, liegt darin, dass wir Gottes Liebe kennen lernen.

Dies soll kein „religiöses“ Buch sein. Wenn ein religiöses System das Problem einer lieblosen Gesellschaft lösen könnte, dann wäre es bereits gelöst. Dieses Buch will Menschen dabei helfen, zu dem „Gott, der uns nah ist“, in Beziehung zu treten. Nicht zu den Göttern, die wir uns selbst erschaffen. Ich habe hier bewusst die Sprache der Psychologie oder Theologie vermieden und eine einfache Sprache gewählt, damit noch mehr Menschen Gottes Worte in ihrer „Sprache des Herzens“ hören können.

Wenn Sie an Gott glauben und ein Liebender oder eine Liebende sein wollen, dann ist das Buch für Sie geschrieben. Wenn Sie nicht an Gott glauben, aber nichts dagegen haben, mit gläubigen Menschen zusammen zu sein, lade ich Sie ein, sich auf dieses Buch einzulassen. Ich werde mich bemühen, das, woran Sie glauben, zu respektieren, und das, woran ich glaube, so klar wie möglich darzustellen.

Wenn wir zum Bilde Gottes erschaffen und seine Kinder sind, können wir auch davon ausgehen, dass er uns liebt. Dann ist es für uns nur natürlich, Liebe zu empfangen und zu erwidern. Dies wird in der Eltern-Kind-Beziehung deutlich.

Die Liebe der Eltern verstehen

Ihre Kinder zu lieben, ist für Eltern so natürlich wie für das Kind Essen und Trinken. Eltern lieben, weil sie mit ihren Kindern verwandt sind. Das Kind ist ganz praktisch das Ergebnis der sexuellen Gemeinschaft seiner Eltern und trägt in seinem Körper und Geist Merkmale jedes Elternteils. Es wäre äußerst unnatürlich, wenn Eltern ihre eigenen Kinder nicht lieben würden. Man kann mit Sicherheit behaupten – und es ist allgemein anerkannt –, dass die Elternliebe Teil der menschlichen Natur ist. Sie ist nicht etwas, was wir uns erarbeiten. Sie gehört zum Menschsein dazu.

Die Liebe einer Mutter oder eines Vaters für ihre bzw. seine Kinder (und die Liebe einer Großmutter oder eines Großvaters für die Enkel) ist stärker als die Liebe, die sie/er für das Nachbarskind empfindet (oder für das Enkelkind eines Freundes). Doch diese Liebe ist nicht einfach mit der genetischen Abstammung zu erklären, denn Adoptiveltern und Adoptivgroßeltern lieben ihre Kinder genauso sehr. Es gibt ein emotionales und spirituelles Band, das uns mit den Kindern verbindet, die wir als „unsere“ Kinder bezeichnen. Wir sind bereit, Zeit, Energie und Geld für ihr Wohlergehen aufzubringen. Wir möchten, dass sie lernen und ihre Fähigkeiten entwickeln. Wir wünschen uns, dass sie in ihrem Leben Großes vollbringen. Wir sind bereit, viel von uns zu geben, um ihr Leben zu bereichern. Wir lieben sie. Das ist die normale emotionale Reaktion von Eltern gegenüber ihren Kindern und von Großeltern gegenüber ihren Enkelkindern.

Das Natürliche der Elternliebe wird noch unterstrichen durch die wenigen Fälle von Eltern und Großeltern, die keine solche Liebe für ihre Kinder und Enkelkinder empfinden. Die Abwesenheit von Elternliebe ist so unnormal, dass diese Eltern als „gestört“ betrachtet werden. Jeder würde zustimmen, dass solche Eltern eine psychologische Behandlung nötig haben. Seine Kinder und Enkelkinder zu lieben, ist so natürlich, wie sich selbst zu lieben, denn sie sind ja unsere „Sprösslinge“.

Ein Spiegelbild der Liebe Gottes

Ich bin der Ansicht, dass Elternliebe die Liebe Gottes widerspiegelt. In Gottes Augen sind wir seine Kinder, und er liebt uns so, wie wir unsere eigenen Kinder lieben. In der World Book Encyclopedia, einem umfangreichen Nachschlagewerk, wird Gott beschrieben als „höchstes Wesen, Schöpfer und Herrscher des Universums, allwissend, allmächtig, unendlich und allgegenwärtig“. In der gesamten Menschheitsgeschichte und über alle Schranken zwischen Rassen und Kulturen hinweg haben schon Millionen von Menschen an die Existenz dieses Gottes geglaubt. Am Anfang der antiken hebräischen Schriften steht der allmächtige Gott, der Himmel und Erde schuf. Er schuf nach seiner Ordnung Pflanzen und Tiere auf der Erde und krönte seinen Schöpfungsakt damit, dass er den Menschen zu seinem Abbild machte1.

Wenn es stimmt, dass der Mensch zum Bilde Gottes erschaffen ist, dann ist zu erwarten, dass sich Gottes Liebe zum Menschen von seiner Liebe zur übrigen Kreatur unterscheidet. Es ist außerdem zu erwarten, dass der Mensch fähig ist, auf Gottes Liebe zu antworten. Die Forschung hat gezeigt, dass der Mensch nicht nur in der Lage ist, auf die Liebe Gottes zu antworten, sondern dass er sogar nie ganz glücklich ist, bis er eine Liebesbeziehung mit Gott eingegangen ist.

Victor Frankl, der Auschwitz und drei weitere Konzentrationslager überlebte, erinnert uns daran, dass im Kern der Existenz des Menschen seine Suche nach Sinn steht. Augustinus weist darauf hin, dass der Mensch erst dann seine wahre Bedeutung erfährt, wenn er die Liebe Gottes erwidert: „Du hast uns auf dich hin geschaffen, o Herr, und unser Herz ist unruhig, bis es Ruhe findet in dir.“

Mein Freund Brian reiste nach dem Zusammenbruch des Kommunismus durch Russland. Ihm fiel auf, dass die Kirchen sonntags überfüllt waren. Nachdem Russland offiziell siebzig Jahre lang eine atheistische Gesellschaft gewesen war und mehrere Generationen gelernt hatten, dass Gott nicht existiert, erstaunte es ihn, dass so viele junge Menschen zur Kirche gingen. Er fragte seine junge Reiseführerin, eine ehemalige Mitarbeiterin des KGB, ob die Menschen sofort in die Kirchen geströmt seien, als sie die Freiheit dazu hatten.

„Nein“, antwortete sie, „zuerst waren es nur die alten Leute. Dann erst kamen die jungen dazu. Jetzt sind alle Kirchen voll.“

„Wie erklären Sie sich das?“, wollte Brian wissen.

„Früher hielten wir unsere politischen Führer für so etwas wie Götter“, erklärte sie. „Doch nun wissen wir, dass das nicht stimmt. Wir haben gelernt, dass der Mensch ein Mensch und dass Gott Gott ist. Jetzt wollen wir mehr über Gott wissen.“

Wenn der Mensch wirklich zum Bilde Gottes erschaffen wurde, dann ist diese Reaktion zu erwarten. Trotz aller Anstrengungen der Kommunistischen Partei, den Glauben an Gott auszurotten, sehnt sich das menschliche Herz auch dort immer noch nach der Liebe des Vaters.

Diese Sehnsucht nach dem Vater zeigt sich ebenso in menschlichen Beziehungen. In seinem Buch Life without Fa­ther (Leben ohne Vater) zeigt der Soziologieprofessor David Popenoe auf eindrückliche Weise, dass sich jedes Kind nicht nur nach der Liebe einer Mutter, sondern auch nach der Liebe eines Vaters sehnt. Die Kinderseele scheint zu wissen, dass sie diese Liebe braucht, um geborgen und glücklich zu sein. Wenn ein Kind diese Liebe nicht erfährt, lebt es mit einer unbestimmten Sehnsucht. Kinder wollen lieben und von beiden Eltern geliebt werden. Popenoe ist der Ansicht, dass das Fehlen dieser Liebesbeziehung das größte Übel ist, das wir mit ins einundzwanzigste Jahrhundert nehmen.

Die Liebesbeziehung wiederherstellen

Dementsprechend müssen wir die Liebesbeziehung zu Gott, unserem himmlischen Vater, wiederherstellen. Gott zu kennen und zu lieben sollte unser größtes Ziel sein, alles andere ist nur Hintergrundmusik. Wenn wir es lernen, ihn zu kennen und zu lieben, ist die Liebesbeziehung wiederhergestellt.

In den weiteren Kapiteln dieses Buches möchte ich den Lesern weitergeben, was ich in über vierzig Jahren der Ehe- und Familienseelsorge über Liebe gelernt habe. Ich glaube, dass die menschlichen Liebesbeziehungen ein Abglanz der Liebe Gottes sind. Wenn wir die Dynamik der Liebe zwischen Menschen verstehen, hilft uns das, die Ausdrucksformen der Liebe Gottes zu erkennen.

Viele Beispiele habe ich aus dem Leben meiner Freunde genommen. (Meistens habe ich nur ihre Vornamen verwendet oder ersetzt und Einzelheiten zum Schutze der Privatsphäre geändert.) Manche von ihnen kenne ich seit vielen Jahren; andere erst seit kurzer Zeit. Sie alle sind eine Liebesbeziehung zu Gott eingegangen. Ihre Geschichten haben mir geholfen und mich inspiriert, und ich hoffe, dass es Ihnen genauso geht.

Am Ende jedes Kapitels finden Sie ein paar Fragen zum Weiterdenken. Sie sollen Ihnen helfen, die gewonnenen Erkenntnisse und die Erfahrungen anderer auf Ihr eigenes Leben zu übertragen.