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Claudia und David Arp

Pubertät in Sicht

So begleiten Sie Ihr Kind zwischen 9 und 13

Deutsch von Renate Hübsch

Englischer Originaltitel: Getting Ready for the Cactus Years

Copyright © 2017 by Claudia und David Arp.

Alle Rechte vorbehalten.

© 2017 Brunnen Verlag Gießen

Umschlagfoto: mauritius images/Image Source/Christine Schneider

Umschlaggestaltung: Jonathan Maul

Satz: Uhl + Massopust, Aalen

ISBN Buch 978-3-7655-0983-4

ISBN E-Book 978-3-7655-7484-9

www.brunnen-verlag.de

Stimmen zum Buch

Was für ein wichtiges Buch! Hier finden Eltern umsetzbare Antworten auf die großen Herausforderungen für ihre Kinder unmittelbar vor der Pubertät: Handys und Computer, Selbstannahme, Schule und Gruppendruck, Freundschaften, Werte und Überzeugungen.

Die Autoren sind Praktiker, das merkt man auf jeder Seite. Und sie setzen nicht nur auf ihre Erfahrung, sondern haben ihre praxisnahen Tipps wissenschaftlich abgesichert. Das Buch schließt eine klaffende Lücke bei den Erziehungsratgebern – und das mit genialen Inhalten.

Susanne & Marcus Mockler,

Paar- und Familienberaterin

Journalist und Kommunikationstrainer

Eltern von acht Kindern


Mit viel Fingerspitzengefühl haben die bekannten Autoren von „Und plötzlich sind sie 13“ und „Mit dem Kopf durch die Wand“ eine wichtige zeitliche Lücke in der Erziehungsthematik geschlossen. In ihrem neuen Buch „Pubertät in Sicht“ geben sie uns Eltern konkrete und praktische Hilfestellung, um vorbereitet zu sein auf das, was unweigerlich kommt: die Pubertät! Und das geschieht heutzutage sehr oft früher als erwartet. Um schmerzlichen Überraschungen vorzubeugen, führen uns David und Claudia Arp in diese Umbruchphase ein, damit wir unsere Kinder gut und altersgerecht begleiten können. Ein wirklich wichtiges Buch für alle Eltern!

Francine Smalley

Lic. theol., Mentorin, Coach

Mutter von drei Kindern

Claudia und David Arp ist ein leicht lesbares Basisbuch für Eltern gelungen. Mit fundiertem Wissen und jeder Menge anschaulicher und ermutigender Beispiele zeigen sie, was Pre-Teens und auch was Eltern heute brauchen, damit die Beziehung stark bleibt – trotz notwendiger Selbstständigkeit und Ablösung. Mit viel Extra-Wissen über den Umgang mit den neuen Medien! Man hört nicht auf zu lesen … Ein Elternbuch, das es so bisher nicht gab!

Friederike Klenk

Referentin, Seelsorgerin, Pädagogin, Mentorin

In vielen Fällen muss man nicht warten, bis es zu einer schweren Beziehungskrise kommt. Man kann vorbeugen oder die frühe Krise als Familie entschärfen. Die Arps sind bewährte Meister in dieser Art der Präventionsarbeit und ihr neues praktisches Buch wird sicher von betroffenen Eltern gerne gelesen werden

Dr. Arne Hofmann

Arzt für psychosomatische Medizin und Psychotherapie

Leiter des EMDR-Instituts Deuschland

Inhalt

Stimmen zum Buch

Ein paar Worte zuvor von Claudia und David

Kapitel 1 Die „Lücke“ vor der Pubertät

Teil 1: Auf dem Weg zur Pubertät

Kapitel 2 Was Sie wissen müssen, bevor die Pubertät zuschlägt

Kapitel 3 Mädchen sind Mädchen und Jungs sind Jungs

Kapitel 4 Jedes Kind ist anders

Kapitel 5 Ein Blick auf die Eltern

Teil 2: Beziehungsstrategien für die Pre-Teen-Zeit

Kapitel 6 Wie Sie reden müssen, damit Ihr Kind zuhört

Kapitel 7 Machtkämpfe vermeiden – verhandeln lernen

Kapitel 8 Wie geht’s in der Schule weiter?

Kapitel 9 Freunde, Gruppendruck, Mobbing (und andere verstörende Dinge)

Kapitel 10 Die digitale Welt und ihre Gefahren

Kapitel 11 Werte, Überzeugungen und Entscheidungen

Teil 3: Sechs Gespräche, die Sie jetzt führen sollten

Talk 1: Du veränderst dich

Talk 2: Schule und so weiter

Talk 3: Freunde und andere Zeitgenossen

Talk 4: Smartphones, Tablets und die digitale Welt

Talk 5: Was soll in deinem Leben wichtig sein?

Bonus Talk 6: Countdown in die Teenie-Zeit

Bonus-Kapitel Das „Teen Prep“-Projekt

Und noch ein Extra zum Schluss: Hilfreiche Strategien für die nächsten Jahre

Danksagung

Anmerkungen

Ein paar Worte zuvor
von Claudia und David

Etwas verändert sich. Haben Sie es schon bemerkt? Kinder werden heute schneller groß als in früheren Generationen. Und die Welt, in der sie leben, ist eine ganz andere als die, die Kindern noch vor zehn Jahren vertraut war. Kinder aufzuziehen war noch nie einfach. Aber in der Welt von heute mit ihrem Dauerstress und der Fülle an technischen Möglichkeiten wird das Elternsein regelrecht zu einer Herausforderung.

Wir begleiten und unterstützen Eltern nun seit vielen Jahren. Unser Buch Und plötzlich sind sie 13 oder Die Kunst, einen Kaktus zu umarmen hat sich zum etablierten Ratgeber entwickelt, der Eltern hilft, sich auf die stacheligen Teenagerjahre vorzubereiten und ihre Kinder gut durch die schwierige Pubertätszeit zu begleiten. Das „Kaktusbuch“ hat zahllosen Eltern, die ihren Teenager-Kaktus umarmen möchten, wertvolle Hinweise gegeben, wie die Pubertät für alle Beteiligten gut zu überstehen ist. Aber Eltern von jüngeren Kindern, bei denen sich die Pubertät erst langsam ankündigt, wollen wissen, wie sie ihr Kind gut auf die anstehenden Veränderungen vorbereiten können, bevor es Stacheln entwickelt. Für sie ist dieses Buch geschrieben. Es ist ein Wegweiser, der Eltern und Kindern einen möglichst reibungsarmen Übergang in die Pubertät ermöglicht. Mit Pubertät in Sicht und Und plötzlich sind sie 13 sind Sie bestens gerüstet für die aufregenden, nervenzehrenden, abenteuerlichen, stacheligen, herzerwärmenden, kostbaren Jahre, die vor Ihnen und Ihrem Kind liegen.

Alles wird anders

Vielleicht sehen Sie gerade Licht am Ende des Tunnels und atmen erleichtert auf – bis Sie merken, dass es die Lichter des Zuges sind, der sich Pubertät nennt und direkt auf Sie zubraust! Damit stehen erhebliche Veränderungen ins Haus. Noch deuten sie sich nur an, aber manchmal sind die ersten Vorzeichen schon geeignet, düstere Befürchtungen im Blick auf die kommenden Jahre zu wecken. Dazu gibt es allerdings keinen Grund. Im Gegenteil: Jetzt ist die beste Zeit, eine gute Grundlage für die „Kaktusjahre“ zu legen. Noch sind Sie sozusagen im Auge des Sturms, der mit der Pubertät hereinbrechen wird, und da herrscht relative Ruhe. Nutzen Sie diese Zeit, um sich auf die Teenagerjahre vorzubereiten. Das kann man kaum früh genug tun. Die Vorpubertät beginnt heute schon mit acht oder neun Jahren.

Auf den folgenden Seiten berichten wir von unseren eigenen Erfahrungen. Viele Eltern, die heute Teenager oder Kinder in der Vorpubertät haben, kommen zu Wort. Sie finden Informationen und Hinweise von Pädagogen, die mit Eltern von Kindern im entsprechenden Alter arbeiten. Wir stellen Ihnen Möglichkeiten vor, wie Sie über schwierige, aber wichtige Themen mit Ihrem Kind ins Gespräch kommen können. Kurz: Sie erhalten die nötigen Werkzeuge, um Ihr Kind gut auf die wichtige Lebensphase Pubertät vorzubereiten.

Und nun blättern Sie weiter und erfahren Sie, warum wir die Jahre zwischen neun und zwölf die „Vorkaktuszeit“ oder auch die „Lückenjahre“ nennen.

Claudia & David Arp

Kapitel 1
Die „Lücke“ vor der Pubertät

In der Welt von heute endet die „goldene Kindheit“ allem Anschein nach immer früher. Gerade noch war Ihr Kind ein richtiger Wonneproppen, aber bevor Sie sich versehen, ist die unbeschwerte Kinderzeit vorbei. Ihr Kind ist zwar noch kein Teenie, aber ein Kind ist es auch nicht mehr. Es hat das Niemandsland erreicht, in dem es für den Spielplatz oder den Hort zu alt ist, aber für die Jugendgruppe oder den Jugendklub noch zu jung. Dieses Niemandsland kann schon mit neun Jahren beginnen und bis zum zwölften Lebensjahr dauern. Kinder in diesem Alter werden auch „Lückekinder“ genannt – sie sind „nicht mehr“ ganz Kind und „noch nicht“ Jugendliche. In gewisser Weise sind sie eine übersehene Gruppe. Zur Erziehung von Kleinkindern gibt es reichlich Literatur, ebenso zum Thema Pubertät. Aber die Zeit dazwischen wird in der pädagogischen Literatur vernachlässigt. Dabei ist gerade sie eine wichtige und entscheidende Übergangszeit, in der die Weichen dafür gestellt werden, wie Ihr Kind (und Sie) die Adoleszenzjahre (die Kaktuszeit) erleben werden. Dieses Buch hilft Ihnen, sich selbst und Ihr Kind auf diesen Übergang so vorzubereiten, dass alle Beteiligten die Herausforderungen der Pubertät erfolgreich bestehen.

Warum Eltern Hilfe brauchen

In den letzten zehn bis fünfzehn Jahren hat sich unsere Welt auf eine Weise verändert, die die „Lückenjahre“ zu einer schwierigeren Zeit machen. Die Allgegenwart von sozialen Medien ist dafür nur ein augenfälliges Beispiel. Wo Kinder dieses Alters früher Kinder-CDs auf dem CD-Player im Wohnzimmer gehört haben, laufen sie heute mit Smartphone und Ohrstöpseln herum, hören Rap mit gewaltverherrlichenden oder sexuell anzüglichen Texten oder sehen entsprechende Videos auf YouTube. Statt sich mit gleichaltrigen Freunden zu treffen, sind sie bei Facebook, Twitter, Snapchat oder anderweitig im Internet unterwegs und damit der Gefahr ausgesetzt, Opfer von Cybermobbing zu werden.

Mobbing und Gruppendruck sind in diesem Alter nicht selten auch in der Schule ein Problem. Mit dem Ende der Grundschulzeit wächst auch der schulische Druck, wenn die Empfehlung fürs Gymnasium erreicht werden muss. Und auch mit Drogen und Alkohol machen Kinder immer früher Bekanntschaft. Kein Wunder, dass Eltern nervös werden.

Was ist nur aus meiner unbeschwerten, hilfsbereiten Tochter geworden? Plötzlich entwickelt sie sich zur Dramaqueen – sie ist launisch, hört nicht auf mich und stellt alles infrage!

Wer ist dieser Alien im Körper meines Sohnes? Mit zehn war er so leicht lenkbar und wirklich geschickt. Aber seit Neuestem ist er unordentlich, unbeholfen und wenn ich ihn vom Fußballtraining abhole, benimmt er sich, als wüsste er nicht, wer ich bin – es könnte ihn ja jemand mit seiner Mutter sehen!*

Vielleicht sprechen diese Eltern Ihnen aus der Seele. Vielleicht ist Ihre 10-jährige Tochter aber auch wonnig und unkompliziert oder der 11-jährige Sohn ein absolut pflegeleichter Sonnenschein. Veränderungen? Bei meinem Kind? Vielleicht gibt es sie nicht. Oder noch nicht. Die anstrengenden Kleinkinderjahre sind vorbei und Sie genießen Ihre derzeit pflegeleichten Sprösslinge, die Jahre, in denen es Freude macht, Mutter bzw. Vater zu sein. Die Sturmwolken der Pubertät sind am Horizont noch kaum zu erkennen. Und natürlich gibt es auch Kinder, auf die das Bild vom Kaktus nicht zutrifft – Kinder, die sensibel und gewissenhaft sind, Kinder mit verborgenen Ängsten oder solche, die bereits in diesem Alter überfordert sind – nicht selten von den zunehmenden schulischen Anforderungen. Aber auch sie sind auf dem Weg in die Adoleszenz.

Wenn das Ihre Situation ist, legen Sie das Buch trotzdem nicht aus der Hand. Jetzt, in den Lückejahren, ist die Zeit, um Ihr Kind auf die Pubertät vorzubereiten – jetzt, wo Ihr Kind noch auf Sie hört und Sie akzeptiert. Jetzt ist die Zeit, in die Beziehung zu Ihrem Kind zu investieren. Denn die Beziehung entscheidet maßgeblich darüber, wie Ihr Kind die Pubertätsjahre erleben wird – und Sie ebenfalls.

Wie die „Kaktusjahre“ aussehen, wird sehr davon abhängen, wie offen und stabil die Beziehung zu Ihrem Kind sich in den Jahren davor gestaltet. Stellen Sie sich allmählich darauf ein, dass Ihre Aufgabe sich ändert. Bisher haben Sie Ihrem Kind Anweisungen gegeben. Sie hatten das Sagen. Diese Rolle muss sich wandeln. Vom „Kommandeur“ werden Sie mehr und mehr zum Berater und Vertrauten Ihres Kindes. Wie können Sie gegenseitigen Respekt und eine Haltung des Miteinanders in der Beziehung zu Ihrem Kind verankern? Wie gelingt es, die Klippen in der Kommunikation zu umschiffen und das Gespräch zwischen Ihnen und Ihrem Kind nicht abreißen zu lassen? Wir möchten Ihnen Wege zeigen, wie das gelingen kann.

Die herannahende Pubertät kann Sie ziemlich fordern. Aber die Lückenjahre können auch sehr viel Positives beinhalten. Eine Mutter, die Kinder zwischen neun und sechzehn hat, hat es so erlebt:

Meiner Erfahrung nach wird es in den Teenagerjahren schwieriger – Gefühlsausbrüche, aberwitzige endlose Diskussionen und ein astronomisches Maß an Aufsässigkeit! Wirklich nicht einfach! Aber es ist auch eine besondere Zeit. Ich genieße meine Teenager ebenso wie die jüngeren Kinder. Sie können witzig und scharfsinnig sein. Und unsere Gespräche gewinnen an Tiefe. Das schweißt uns enger zusammen.

Sie entwickeln mehr Mitgefühl für andere (obwohl sie natürlich auch egoistisch sein können und obwohl es da dieses „unsichtbare Publikum“ gibt, von dem sie sich auf Schritt und Tritt beobachtet glauben). Aber wir können auch zusammen herumalbern. Und sie haben alle einen ganz eigenen Sinn für Humor. Es ist eine ganz besondere Freude, mitzuerleben, wie jedes meiner Kinder sich zu einer ganz eigenständigen Persönlichkeit entwickelt. Sie strengen sich mehr an als früher (nicht unbedingt aus eigenem Antrieb – aber sie können es und sie tun es) und sie helfen mehr mit.

Natürlich ist nicht alles rosig. Manchmal sind sie wie Geier, die nur darauf lauern, dass ich etwas tue, was dem, was ich sage, widerspricht. Das macht mich rasend. Das Lieblingswort meiner 12-jährigen Tochter ist derzeit „scheinheilig“, dicht gefolgt von: „Das ist nicht fair!“

Aber offen gestanden möchte ich es gar nicht anders haben. Ich will ja nicht, dass sie Kopien von mir werden. Und wenn sie eigenständige Persönlichkeiten werden sollen, müssen sie ihre wachsende Urteilsfähigkeit auch ausprobieren dürfen, selbst wenn sie sie dazu verwenden, alles, was ich sage, infrage zu stellen. Schon meine 10-Jährige ist darin Expertin. Aber es ist für sie sehr wichtig, dass ich jede kleine Meinungsverschiedenheit, die wir haben, mit ihr ausdiskutiere – sie möchte nur, dass man ihr zuhört und sie versteht.

Natürlich gibt es Grenzen, wie weit sie gehen dürfen, und sie testen diese Grenzen ständig neu aus. Aber ich würde sagen, etwa die Hälfte der Zeit kommen wir gut miteinander aus, 25 Prozent geht mit Diskussionen drauf und das restliche Viertel verziehen sie sich maulend in ihr Zimmer oder wollen einfach in Ruhe gelassen werden.

Tja, die Freuden (und der Frust) der Pubertät! Stellen Sie sich darauf ein: Es wird etliche Kämpfe geben – aber auch oft genug wirklich gute Zeiten.

Und los geht’s!

Auf den folgenden Seiten teilen wir unsere eigenen Erfahrungen als Eltern von (inzwischen erwachsenen) Kindern mit Ihnen. Aber auch Eltern, die heute Kinder in der Vorpubertät haben, kommen zu Wort, außerdem Pädagogen, die sich besonders mit den Herausforderungen der Adoleszenz auskennen. Gemeinsam werden wir aufzeigen, wie Sie die Pre-Teen-Jahre nutzen können, um Ihrem Kind eine gute Basis für eine möglichst unbelastete Pubertätszeit zu geben.

Jetzt, bevor nur noch die Hormone regieren, können Sie Ihrem Kind helfen, gute Entscheidungen im Blick auf die herausfordernde Zeit zu treffen, auf die es zugeht. Kinder zwischen acht und elf sind in der Regel wissbegierig – sie saugen alles auf, was sie an Neuem erfahren können. Sie sind auch in der Lage, eigene Entscheidungen zu treffen. Sie wollen von den Eltern ernst genommen werden und in der Regel reden sie gern über „Erwachsenensachen“. Jetzt ist der geeignete Zeitpunkt, um über ein paar schwierige Themen zu sprechen, die im Blick auf die Pubertät wichtig sind. Es hilft Ihrem Kind, wenn es versteht, welche Veränderungen bevorstehen und welche Herausforderungen die Teeniezeit mit sich bringen kann. Noch sind Ihre Kinder empfänglich für das, was die Eltern sagen – ganz sicher mehr als mitten im Sturm der Pubertät.

Der Weg in die Adoleszenz

Zunächst werden wir die einzelnen Phasen der Adoleszenz darstellen, beginnend mit der Vorpubertät. Je besser Sie selbst im Bilde sind, worauf Sie zugehen, umso besser können Sie Ihrem Kind helfen, gut und sicher durch die manchmal holperigen Pubertätsjahre zu kommen. Wir werden auch darauf eingehen, inwiefern diese Zeit sich für Jungen und Mädchen unterscheidet.

Anschließend werden wir uns mit unterschiedlichen Persönlichkeitstypen beschäftigen – im Blick auf Ihr Kind und auch auf Sie – und mit der Frage, wie das Ihre Beziehung beeinflusst. Sie werden Gelegenheit haben, sich Ihren Erziehungsstil genau anzusehen und eventuell daran etwas zu verändern.

Beziehungsbausteine für die Pre-Teen-Zeit

Wie können Sie die Beziehung zu Ihrem Kind stärken, das auf diese verrückte Lebensphase zugeht? Wie können Sie mitten in allen Veränderungen und Verunsicherungen den Familienzusammenhalt fördern und die Verbindung zu Ihrem Kind aufrechterhalten? Wir werden aufzeigen, wie Sie mit Konfliktsituationen umgehen können. Vielleicht müssen Sie ja nicht bei allem, was Ihnen wichtig ist, Ihren Standpunkt durchsetzen oder zum Frontalangriff übergehen. Vielleicht können Sie lernen, gut auszuwählen, wofür sich eine Auseinandersetzung lohnt, und an anderen Stellen fünf gerade sein zu lassen. Ihr Kind ist in einem Alter, in dem es instinktiv auf Konfrontationskurs geht, wenn Sie zu hartnäckig sind. Wir haben zum Beispiel Eltern erlebt, die aus Sorge, ihre Kinder könnten sich zu früh auf Sex einlassen, zu Totalüberwachern wurden, und das führte dazu, dass die Kinder gerade das taten, was die Eltern unbedingt verhindern wollten – nur um der elterlichen Kontrolle zu entkommen.

Gesellschaftliche Veränderungen verstehen

Wir werden uns ansehen, welchen Einfluss unsere Gesellschaft auf unsere Kinder hat, und dabei auch in die digitale Welt eintauchen, die sich rasant weiterentwickelt und fast täglich verwirrender und komplizierter wird. Die digitale Invasion hat drastischen Einfluss darauf, wie Jugendliche heute die Adoleszenz erleben. Je mehr Sie selbst wissen, umso besser können Sie Ihrem Kind helfen, in dieser digitalisierten Welt zu überleben.

Die digitale Welt bestimmt heute beispielsweise extrem stark das Selbstwertgefühl von Jugendlichen. Wie viele Freunde liken mein Profil bei Facebook, Instagram oder Snapchat? Wer whatsappt mit mir? Wer reagiert auf meine Posts? Wie können Sie Ihrem Kind bereits jetzt gute Leitlinien für den Umgang mit elektronischen Medien mitgeben, die ihm später helfen werden, gute Entscheidungen darüber zu treffen, wie viel Zeit und Raum es der digitalen Welt in seinem Leben einräumen will. Wenn Sie jetzt, im noch prägbaren Alter, klare Regeln für die Nutzung der modernen Medien etablieren, wird Ihr Kind später leichter verstehen, worum es Ihnen dabei geht, weil die Regeln bereits längere Zeit gelten. Und jüngere Geschwister gewöhnen sich von Anfang an daran, weil sie sehen, dass für die älteren bestimmte Richtlinien gelten und einzuhalten sind. Dann bedeuten Regeln für sie nicht mehr, dass Sie als Eltern kein Vertrauen haben; es geht dann einfach darum, sich an das zu halten, was in der Familie gilt.

Und dann die Schule, Freunde und das Problem von Mobbing und Gruppendruck. Wie können Sie Ihr Kind davor schützen? Je älter es wird, umso geringer wird Ihr Einfluss. Wie können Sie Ihrem Kind gute, tragfähige Werte und Orientierungsmaßstäbe vermitteln, die ihm helfen, verantwortungsbewusst zu handeln und gute Entscheidungen zu treffen? Ein Schlüssel zum Erfolg ist die Frage, wie Sie in kontrollierter Weise immer mehr Kontrolle abgeben können und Ihrem Kind auch Fehler zugestehen (oder zumuten), aus denen es lernen kann, solange die Konsequenzen noch harmlos sind.

Sechs Gespräche, die Sie führen sollten

Zu sechs wichtigen Themen werden wir Ihnen Gesprächsvorlagen anbieten. Sie wollen es Ihnen erleichtern, mit Ihrem Kind über die bevorstehenden Veränderungen so zu sprechen, dass es im Hinblick auf die nächsten Lebensjahre einige gute Richtlinien und Verhaltensweisen für sich findet und selbstbewusst in die Welt der Teenies aufbrechen kann.

Manche Kinder mögen es, wenn Sie sich ganz offiziell für „wichtige Gespräche“ verabreden. Bei anderen muss man die Gelegenheiten nutzen, die sich spontan bieten, um diese Themen anzusprechen. Wie auch immer Sie vorgehen, wichtig ist, dass Ihr Kind gute Entscheidungen trifft – aber vor allem, dass es seine eigenen Entscheidungen sind, nicht Ihre. Für Jugendliche ist es viel leichter, sich an Richtlinien zu halten, die sie selbst beschlossen haben, als an solche, die ihnen vorgegeben werden.

Am Ende dieser Gesprächsvorschläge haben wir noch ein wunderbares Extra für Sie. Für den Übergang von der Vorpubertät in die Pubertät haben wir in unserem „Kaktusbuch“ das „Teen Prep“-Projekt entwickelt. Es ist ein sehr praktischer Vorschlag, wie Sie Ihr Kind so auf die Pubertät vorbereiten können, dass es diesen Lebensabschnitt mit dem Gefühl beginnt, einen wichtigen Meilenstein im Leben schon gemeistert zu haben.

Wo finde ich sonst noch Unterstützung?

Im letzten Abschnitt des Buches geht es dann einmal nicht um Ihr Kind, sondern nur um Sie selbst. Wir möchten Sie ermutigen, sich ein Netzwerk zu schaffen, das Sie in Ihrer Aufgabe als Eltern unterstützt. Jetzt ist der richtige Zeitpunkt, sich mit anderen Eltern zusammenzutun, Erfahrungen auszutauschen und sich gegenseitig zu unterstützen. Und auch dazu, gut für sich selbst zu sorgen. Sie brauchen Schlaf, Bewegung und eine gute Ernährung. Das nützt nicht nur Ihnen, sondern gibt auch Ihrem Kind ein gutes Beispiel.

* In den typografisch abgesetzten Texten kommen in diesem Buch Mütter und Väter von Pre-Teens mit ihren Erfahrungen zu Wort.

Teil 1:
Auf dem Weg zur Pubertät